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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schlagverletzungen auf. Was geschah an diesem frühen Morgen auf der Insel Lenosos? Sprang Genia freiwillig in die Tiefe?‹
    Pavlos Heraklion schwieg, was gar nicht seiner Art entsprach. Er hatte zuerst jede dieser Zeitungen verklagen wollen, aber seine Anwälte rieten ab. Nichts tun. Sich vornehm zurückhalten. Die Welt vergißt schnell. In einem Monat werden die meisten fragen: Wer war denn Genia Heraklion? – Schweigsamkeit ist eine Mauer, die von Tag zu Tag dicker wird und schließlich undurchdringbar.
    Für Stavros Penopoulos war es dagegen sicher, daß Heraklion seine Frau umgebracht hatte – wie, davon war er überzeugt, auch seine erste Frau. »Was ihm im Weg steht, killt er!« schrie er, als die Meldungen und Mutmaßungen sich überschlugen. »Eines Tages werde ich das beweisen können! Und ich behaupte: Genia ist von dem gleichen Mörder umgebracht worden wie Perikles! Mich will man treffen! Mich will man vernichten! Und ich werde es noch eines Tages beweisen!«
    Stavros' Theorie war glaubhaft, aber nicht beweisbar. Nach langer Zeit rief er Heraklion an und sagte, als dieser sich erstaunt meldete, nur ein Wort: »Mörder!«
    »Ein Irrer«, sagte Pavlos kühl und legte auf.
    Für Lyda war der Tod der Mutter wie ein Weltuntergang. Erst war ihre große Liebe, Jérome Marcel, in seinem Rennwagen verbrannt, dann war Perikles abgestürzt – und jetzt lag ihre Mutter zerschmettert am Meer. Stavros, der sie trösten wollte, traf auf eine Tochter, die nicht mehr ansprechbar war.
    »Jetzt habe ich nichts mehr auf der Welt!« schrie sie und riß mit beiden Händen an ihren Haaren. »Mama, Mama, nimm mich mit! Was soll ich jetzt noch allein?! Mama, ich will bei dir sein …«
    »Ich bin doch da!« sagte der alte Stavros ungelenk. »Lyda, mein Engelchen, du hast doch noch einen Vater …«
    »Du?« Sie fuhr herum und starrte ihn aus wilden Augen an. »Du? Ein Vater?! Du gehörst unter den Rock von Nany! Du bist ihr Tanzbär! Vater! Wenn mich jemand nach meinem Vater fragen sollte, dann werde ich antworten: Was ist das – Vater?!« Sie ballte die Fäuste und hielt sie dem entgeisterten Stavros unter die Augen. »Und wer ist schuld an allem? Wer hat sie aus dem Haus getrieben und uns unsere Mutter weggenommen? Du und diese Palvietti! Du und diese Nany Johnes! Du! Du! Du! Du bist schuld an ihrem Tod! Geh aus meinem Zimmer! Du hast alle unglücklich gemacht! Ich will jetzt allein sein! Ich kann dich nicht mehr hören! – O Mama, warte auf mich! Ich komme zu dir …«
    Schwankend, bleich verließ Stavros Penopoulos das Zimmer seiner Tochter. Er verkroch sich in seine Bibliothek, setzte sich dort in eine dunkle Ecke und weinte. Dann war er wieder der alte Stavros, knallte die geballte Faust gegen die getäfelte Wand und brüllte nach einem Arzt, einer Krankenschwester und einem Krankenwagen.
    Sein Instinkt behielt recht. Als man Lydas Tür eintrat, lag sie auf dem Bett und atmete röchelnd. Das Wasserglas mit einem milchigen Rest darin verriet alles. Es lag neben dem Bett.
    Lyda hatte die Hände gegen die Brust gepreßt, in ihren Fingern hielt sie das zerknüllte Bild ihrer Mutter Genia. Das Hochzeitsbild. Ein junger, lächelnder Stavros Penopoulos und ein scheu lächelndes Mädchen von elfenbeinartiger Zartheit. –
    Zum Jahrestag der Oktober-Revolution erhielten in diesem Jahr Nikita Alexejewitsch Masajew und Pal Diogenowitsch Okoschkin die Verdienstmedaille der Sowjetunion in Gold. Boris Jegorowitsch Lobow erhielt den Verdienstorden 2. Klasse der Sowjetunion, wurde zum Hauptmann befördert und empfing einen handgeschriebenen Brief von Admiral Gorschkow, den er sich einrahmen ließ.
    Es war schon ziemlich dunkel, eine warme Nacht kündete sich für Moskau an, als Lobow das Zentralgebäude des KGB wieder verließ. Auf der Straße blieb er stehen und blickte zurück auf die neoklassizistische Fassade. Nur noch wenige Lichter brannten, darunter das sechste Fenster von rechts auf der vierten Etage: Pujatkins Reich.
    Er saß noch immer hinter dem Schreibtisch, rauchte eine Papyrossa und hatte wenig Lust, nach Hause zu fahren und sich die Alltagssorgen seiner Frau anzuhören. Die Pujatkina war ein forsches Weibchen, zugegeben, sie war einmal sehr hübsch gewesen und so temperamentvoll in den Kissen, daß Tichon Pawlowitsch in den ersten Tagen seiner Ehe oft mit verquollenen Augen zum Dienst kam. Aber im Laufe der Jahre schleift sich das ab, und was bleibt, ist das Nörgeln einer Frau, die den ganzen Tag über allein in
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