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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Bettkante und trank ihr Glas Fruchtsaft. Lobow streichelte ihren Rücken. Sie ist schön, dachte er. Wer das bestreitet, hat sie eben nur in ihren oft unmöglichen Kleidern gesehen. Aber wer sie so sieht wie ich, wer ihren nackten Körper abgetastet hat, der weiß, wie schön sie ist.
    »Heute vor drei Jahren fand man Mama … Ich habe nie darüber reden können. Jetzt, bei dir, kann ich es. Du bist mein Leben, Boris, moy druk …«
    Pavlos Heraklion war das Gegenteil von Stavros Penopoulos. Zwar waren beide einst Fischerjungen aus der Gegend von Gythion am Lakonischen Golf des Peloponnes gewesen – aber dann verlief ihre Entwicklung völlig konträr. Stavros wanderte mit den Eltern nach Amerika aus, Pavlos blieb in Griechenland. Der eine putzte Schuhe in den Slums, trug Zeitungen aus und charterte sein erstes Schiff mit geliehenem Geld. Der andere absolvierte eine Schiffereilehre, schwängerte die Tochter seines Chefs, durfte sie heiraten und kassierte mit dem Jawort vier alte, aber brauchbare Frachter. Nach vielen Jahren trafen sie sich in Athen als Konkurrenten: Penopoulos mit seinen Ölschiffen, Heraklion mit einer Flotte Frachtdampfer und einem Urlaubsliner für Mittelmeertouristen. Außerdem gehörten ihm vierzehn Fähren zu griechischen Inseln. Damals kaufte Penopoulos gerade sein erstes Riesenschiff für den Südamerikahandel und geriet dadurch zwangsläufig in die Schußlinie von Pavlos.
    Sie begrüßten einander wie Freunde: der kleine, stämmige, etwas ordinär gebliebene Penopoulos und der große, schlanke, superelegante Heraklion, ein Gentleman wie aus dem Bilderbuch.
    »Ich hätte dir damals am Strand den Schädel einschlagen sollen!« sagte Stavros freundlich. »Ich war immer der Stärkere, auch als ich zehn war.«
    Und Heraklion antwortete mit breitem Grinsen: »Weißt du noch, wie du beim Tintenfischfangen über die Bordwand des Kahns gefallen bist? Damals konntest du genausowenig wie heute schwimmen! Und ich habe dich aus dem Wasser geholt, ich Rindvieh!«
    Ihr Haß aufeinander wurde im Laufe der Jahre, in denen beider Imperium wuchs und wuchs, immer schlimmer und schicksalhafter. Am Ende wußte man nicht mehr, wer denn nun eigentlich der größte und reichste Reeder sei, und als die beiden dann noch zu Wettbewerbern um die Gunst der berühmtesten und attraktivsten Frauen wurden, wuchs sich der Zweikampf zur griechischen Tragödie aus.
    Den letzten Sieg trug Pavlos Heraklion davon. Nachdem Stavros die mondäne, weltbekannte Witwe Nany Johnes geheiratet hatte – eine Weltsensation! –, schlug Pavlos zu: Er heiratete Stavros' erste Frau, die Mutter von Perikles und Lyda, die schöne, zarte, an Duldungen gewöhnte Genia. Die Elfe. Ein ätherisches Geschöpf mit einem leisen, wehmütigen Lächeln. Eine Frau, um die man einen Schutzwall bauen mußte.
    Stavros Penopoulos gab dazu keine Kommentare, aber jedem war klar, daß es gefährlich werden mußte, wenn sich die beiden irgendwo noch einmal treffen würden.
    Die Mutter seiner Kinder in den Armen von Pavlos Heraklion … Auch wenn Stavros sie verlassen hatte – das war eine Blutrache wert!
    »Eine gute Situation!« erklärte in Moskau Oberst Pujatkin seinem engeren Stab, als bekannt wurde, wie der alte Stavros auf die Heirat reagiert hatte. Warum sie gut war, war niemandem klar, aber die Gedankengänge Pujatkins waren fast immer rätselhaft, bis es ihm gefiel, sie zu erläutern. Dann wußte man, daß der Genosse Tichon Pawlowitsch wieder einmal etwas ausgebrütet hatte, woran andere nie gedacht hatten.
    Die Ehe zwischen Genia und Pavlos war nur in den ersten Monaten glücklich. Dann nahm Pavlos Heraklion sein altes Leben wieder auf, trieb sich auf seiner Jacht im Mittelmeer herum, lud in St. Tropez oder Marbella blutjunge Mädchen zu Kreuzfahrten ein und warf sie wieder an Land wie abgenützte Taurollen. Er tanzte auf Gala-Empfängen, lief Ski in Gstaad und St. Moritz, veranstaltete rauschende Feste in seiner riesigen Villa auf Barbados und bekräftigte seinen legendären Ruf, einer der größten Frauenkenner zu sein.
    Der alte Stavros verfolgte das mit Mißfallen. Was er selbst vor Jahren seiner Frau Genia angetan hatte, betrachtete er jetzt, als Pavlos sich nicht anders verhielt, als eine blutrünstige Beleidigung. Über Perikles und später Lyda erfuhr er, wie sehr Genia litt, wie grob, ja geradezu infernalisch gemein Pavlos mit ihr umsprang, wie oft es zu Streitigkeiten kam und sogar, daß Pavlos sie in heller Wut einmal geschlagen hatte.
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