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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge
Autoren: Michael Peinkofer
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zugewandte Land mit allem, was sich darauf befand, versank in der tosenden Flut. Noch mehr Häuser stürzten ein, und ihre Ruinen wurden hinfortgespült. Wer von Bricassarts Piraten es noch nicht geschafft hatte, sich in Sicherheit zu bringen, der fand jetzt einen jähen Tod. Auch der Marktplatz und die Trümmer der Kirche versanken im Meer – und mit ihnen die sterblichen Überreste Bricassarts und des Chinesen.
    Auch die Festung war betroffen; was die Kanonen der Prosecutor nicht geschafft hatten, das gelang den entfesselten Naturgewalten anscheinend mühelos: Die Mauern, die aufgrund der Erdstöße von Rissen durchzogen waren, stürzten lärmend ein und rissen Geschütze und Mannschaften in die Tiefe. Staub und Rauch stiegen auf, was Nobody Jim mit lautem Jubel quittierte.
    Die Hand an der Ruderpinne, versuchte Nick, das schlingernde Boot auf Kurs zur Leviathan zu halten, die ihrerseits in den Wellen schaukelte und deren Masten wie drohend erhobene Zeigefinger hin und her pendelten. Scarborough und die Seinen hatten die Prosecutor inzwischen erreicht und enterten das Schiff – die wenigen Piraten, die dort die Stellung hielten, waren im Handumdrehen überwältigt.
    Verzweifelt kämpften die Gefährten gegen die Wellen, die die Schaluppe wie einen Spielball hin und her warfen – und je mehr Landmasse im Becken der Bucht versank, desto höher und heftiger wurden sie.
    »Wir schaffen es nicht!«, schrie Elena gegen das Brausen und Donnern an, aber Nick ließ sich nicht beirren.
    »Wir rudern weiter!«, befahl er barsch. »Verdammt noch mal, legt euch in die Riemen! Wenn wir das Schiff nicht erreichen, sind wir alle verloren …«
    Ein Blick zurück – noch immer schien der Hunger der See nicht gestillt zu sein. Mit unersättlicher Gier verschlang sie Felsen und Land, während die Schaluppe in der Dünung nicht von der Stelle kam und das rettende Schiff weiter auf Distanz blieb.
    Plötzlich geschah etwas Seltsames.
    Die See, die sich eben noch wild gebärdet hatte, beruhigte sich plötzlich, und als bedauere das Wasser das Werk seiner Zerstörung, zog es sich zurück. Nicks Schaluppe wurde vom Sog der Strömung erfasst und der Leviathan entgegengetragen, was er und seine Freunde mit Freudengeschrei quittierten.
    Nur Pater O’Rorke freute sich nicht.
    »Eine Flutwelle«, flüsterte er.
    »Was?«, fragte Jim.
    »Eine Flutwelle kündigt sich an, Sohn«, wiederholte der Mönch. »Wenn sich das Wasser auf diese Weise zurückzieht, wird es schon bald in Massen zurückkehren – und alles vernichten, was sich in Ufernähe befindet. Rudert, was ihr könnt! Rudert um euer Leben …!«
    Die Bukaniere hatten keinen Grund, an den Worten des Paters zu zweifeln, und so gaben sie alles, legten sich mit letzter Kraft in die Riemen, um die Leviathan zu erreichen. Kurz darauf gelangten sie bei der schwarzen Pinasse an, die in der Karibik als der Inbegriff des Schreckens galt und die unversehens zu ihrer letzten Hoffnung geworden war.
    Über den Bugspriet kletterten Nick und Jim an Bord, ließen eine Leiter herab, damit Elena und die beiden Verwundeten nachkommen konnten. Mit blanken Säbeln schlichen die Bukaniere über das Deck auf der Suche nach den Wachen, die Damianzurückgelassen hatte – aber die beiden furchtsam kauernden Gestalten, die sie im Niedergang entdeckten, verdienten die Bezeichnung nicht.
    Ob es an der tobenden Naturgewalt lag oder daran, dass mit dem Tod des alten Bricassart auch seine Macht erloschen war, wusste niemand zu sagen. Aber die beiden Piraten, Brüder französischer Herkunft, wussten weder, was mit ihnen geschehen, noch wie sie hierher gekommen waren. Nick versprach, ihnen das Leben zu schenken, wenn sie seinen Freunden und ihm dabei halfen, das Schiff zum Auslaufen bereitzumachen.
    In Windeseile wurden die Segel gesetzt. Da Damian in Erwartung neuer Untaten nur den Taglichsanker hatte werfen lassen, bereitete das Einholen keine Schwierigkeit. In der Brise des ablandigen Windes blähten sich die Segel und die Leviathan nahm Fahrt auf.
    Nick besetzte selbst das Ruder; sofort nahm er Kurs auf die Einfahrt der Bucht und das offene Meer, das sich jenseits von Rauch und Dunst abzeichnete – und das an der Kimm von weißem Schaum gekrönt wurde.
    »Die Flutwelle!«, rief Pater O’Rorke. »Sie kommt …«
    Nick biss die Zähne zusammen, steuerte das Schiff weiter auf die Öffnung zu, auf deren Backbordseite die Klippe aufragte. Jim und Unquatl, der trotz seiner Beinverletzung in die Wanten gestiegen war,
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