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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben
Autoren: William Golding
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den Stamm. Es war der Stamm einer Birke, gerade schenkeldick, und er lag halb in Schlamm und Wasser. Die Rinde begann sich an manchen Stellen zu schälen, und Lok löste die bunten Schwämme daran ab. Einige der Schwämme waren gut, und Lok gab sie Liku zu essen. Ha und Nil und Fa zerrten ungeschickt an dem Stamm. Der Alte seufzte erneut. »Wartet. Ha da. Fa da. Nil auch. Lok!« Leicht hob sich der Stamm. Es waren noch Zweige daran, die sich in Büschen verfingen, im Schlamm nachschleiften und sie behinderten, während sie ihn mühsam zur Schmalstelle des Wassers trugen. Die Sonne verschwand wieder hinter Wolken.
    Als sie an das Ufer kamen, starrte der Alte angestrengt zu der aufgewühlten Erde jenseits des Wassers hinüber. »Laßt den Stamm schwimmen.«
    Das war nicht einfach. Wie sie das morsche Holz auch faßten, sie mußten mit den Füßen ins Wasser treten. Schließlich hatten sie es zuweggebracht, und Ha stand vornübergeneigt und hielt den Stamm am einen Ende fest. Das andere sank ein wenig unter die Oberfläche. Ha begann mit der einen Hand zu drücken und mit der anderen zu ziehen. Die Zweigkrone ging langsam hoch und kam dann auf Morast am jenseitigen Ufer zu liegen. Lok plapperte vor Freude und Bewunderung, wobei er den Kopf zurückwarf und die Worte aufs Geratewohl herausschießen ließ. Niemand kümmerte sich um Lok; der Alte runzelte die Brauen und drückte sich beide Hände auf den Kopf. Das andere Ende des Stammes lag etwa zwei Manneslängen unter Wasser, und das war der schmalste Teil. Ha starrte seine Frage zu dem Alten hinüber, der sich wieder auf den Kopf drückte und hustete. Ha seufzte und trat entschlossen mit einem Fuß ins Wasser. Als die anderen sahen, was er tun wollte, jammerten sie vor Mitempfinden. Ha stieg vorsichtig hinein, verzog das Gesicht und sie verzogen das Gesicht mit ihm. Er schnappte nach Luft, ging weiter, bis ihm das Wasser über die Knie spülte, und seine Hände umfaßten die faule Rinde, daß sie Falten warf. Dann drückte er mit der einen Hand und hob mit der anderen an. Der Stamm drehte sich, die Zweige wühlten braunen und gelben Schlamm auf, der mit einer Wolke von Blättern emporwirbelte; die Krone fiel auf die Seite und blieb liegen. Ha drückte mit aller Kraft, aber gegen die spreizigen Äste vermochte er nichts auszurichten. Immer noch war eine Lücke, wo sich der Stamm jenseits der Mitte unter Wasser bog. Ha kam aufs trockene Land zurück, von den ernsten Blicken der anderen empfangen. Mal sah ihn erwartungsvoll an, seine beiden Hände hielten wieder den Dornenast umklammert. Ha ging bis dahin zurück, wo der Pfad in die freie Stelle einmündete. Er hob seinen Ast auf und ging in die Hocke. Einen Augenblick lang beugte er sich vor, und während er noch fiel, holten die Füße den Oberkörper ein, und er sauste über die freie Stelle. Er machte vier Sätze auf dem Stamm, es sah aus, als müßte er fallen, mit dem Kopf auf die Knie stoßen; da peitschte der Stamm das Wasser hoch und Ha flog mit angewinkelten Beinen und ausgebreiteten Armen durch die Luft. Er fiel auf Laub und Erde. Er war drüben. Er drehte sich um, packte die Baumkrone, zog: und der Pfad hatte wieder seinen Steg. Die Gefährten schrien vor Erleichterung jubelnd auf. Gerade da kam die Sonne wieder heraus, so daß die ganze Welt ihre Freude zu teilen schien. Sie zollten Ha Beifall, schlugen sich mit der flachen Hand auf die Schenkel, und Lok frohlockte mit Liku.
    »Siehst du, Liku? Der Stamm liegt über dem Wasser. Ha sieht viele Bilder!«
    Als sie sich beruhigt hatten, deutete Mal mit seinem Dornenast auf Fa. »Fa und das Junge.«
    Fas Hand fühlte nach dem Jungen. Ihr Haarschopf bedeckte es, und sie sahen von ihm kaum mehr als Hände und Füße, die sich ein jedes fest an einer Locke anklammerten. Sie trat zum Ufer, breitete die Arme aus und rannte geschickt über den Stamm, bewältigte das letzte Stück im Sprung und trat zu Ha. Das Junge wachte auf, äugte ihr über die Schulter, faßte mit einem Fuß in eine andere Locke und fiel wieder in Schlaf. »Jetzt Nil.«
    Nil runzelte die Brauen, daß sich die Haut darüber zusammenzog. Sie strich die Locken aus den Augen, verzerrte schmerzvoll das Gesicht und lief auf den Stamm zu. Sie reckte die Arme hoch über den Kopf, und als sie die Mitte erreicht hatte, begann sie zu schreien. »Ai! Ai! Ai!«
    Der Stamm gab langsam nach und sank ein. Nil kam an die schmalste Stelle, machte einen Satz, daß ihre Brüste wippten, und fiel bis zu den Knien ins
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