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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben
Autoren: William Golding
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Nur die Füße der Gefährten hatten diesen Pfad an der steilen Klippe über Gischtsäulen und Wasserwirbeln getreten.
    Als Lok am Ende des Steigs um den Fels bog, lag der Wald hinter ihm schon im Dunkeln, und Schatten jagten durch die Spalte auf die Terrasse zu. Die Spannung fiel von ihnen ab und freudiges Lärmen war auf der steinernen Platte; da schwang Ha seinen Dornenast, daß das stachelige Ende vor ihm auf dem Boden lag. Er beugte die Knie und sog die Luft ein. Sogleich fielen sie wieder in Schweigen und traten im Halbrund vor den Überhang. Mal und Ha schlichen sich, den Dornenast schlagbereit, über eine kleine Bodenwelle an, und dann konnten sie in die Höhlennische hineinsehen.
    Aber die Spitzohren waren fort. Die Witterung haftete wohl noch an den verstreuten Steinen, die vom Dachgewölbe herabgefallen waren, und an dem dürftigen Gras, das in der Erde von Generationen wuchs, doch sie war einen Tag alt. Sie sahen, wie Ha seinen Dornenast hob, bis er keine Waffe mehr war, und die Spannung wich aus ihren Muskeln. Sie gingen die wenigen Schritte den Hang hinauf und standen vor der Höhlennische, und das Sonnenlicht warf ihre Schatten zur Seite. Mal unterdrückte das Husten, das aus seiner Brust steigen wollte, wandte sich zu der Alten und wartete. Die Alte kniete im Überhang nieder und legte den Lehmklumpen in der Mitte dieses geschützten Raumes zu Boden. Sie löste den Klumpen und drückte und glättete den Lehm über die alte Stelle vom vergangenen Jahr. Sie näherte ihr Gesicht dem Lehm und blies darauf. Ganz hinten in der Wölbung des Überhangs waren zu beiden Seiten eines Felspfeilers Nischen, und diese waren angefüllt mit Reisig und Zweigen und dickeren Ästen. Sie schritt schnell zu diesen Vorräten und kam zurück mit Zweigen und Laub und einem großen staubmorschen Holzstück. Sie baute dies alles über dem ausgebreiteten Lehm auf und blies, bis sich eine Rauchfahne aufrollte und ein einzelner Funke emporschoß. Der Ast knackte, und eine violette und rote Flamme züngelte hoch und richtete sich auf, so daß die der Sonne abgekehrte Seite ihres Gesichts glühte und Glanz in ihren Augen war. Sie ging noch einmal zu den Wandhöhlungen und legte noch mehr Holz auf, und das Feuer tanzte vor ihnen in Flammen und Funken. Sie begann, den feuchten Lehm mit den Fingern zu bearbeiten und machte die Ränder gerade, so daß das Feuer jetzt mitten auf einer flachen Schale brannte. Dann stand sie auf und sprach die Gefährten an. »Das Feuer ist wieder erwacht.«

II
    Darauf schwatzten sie wieder alle erregt durcheinander. Sie eilten in die Einbuchtung des Berges. Mal hockte sich zwischen dem Feuer und der hinteren Nische nieder und hielt die ausgebreiteten Hände der Wärme entgegen, während Fa und Nil frisches Holz holten und bereitlegten. Liku brachte einen Ast und gab ihn der Alten. Ha setzte sich gegen den Felsen und rutschte hin und her, bis sein Rücken die richtige Stelle gefunden hatte. Seine rechte Hand fand einen Stein und hob ihn auf. Er zeigte ihn den anderen.
    »Ich sehe ein Bild von diesem Stein. Mal hat ihn benutzt, um einen Ast zu zerschneiden. Hier ist der Teil, der schneidet.«
    Mal nahm Ha den Stein ab, wog ihn in der Hand, runzelte einen Augenblick die Brauen und lächelte ihnen dann zu.
    »Das ist der Stein, den ich benutzt habe«, sagte er. »Seht! Hier hat mein Daumen gelegen, und meine Hand paßt genau hier um das dicke Teil.«
    Er hielt den Stein hoch und stellte Mal dar, der einen Ast durchschnitt.
    »Der Stein ist ein guter Stein«, sagte Lok. »Er ist nicht fortgegangen. Er ist beim Feuer geblieben, bis Mal wieder zurückkam.«
    Er stand auf und spähte über Erde und Fels den Abhang hinab. Auch der Fluß war nicht weggegangen und auch die Berge nicht. Die Höhlennische hatte auf sie gewartet. Auf einmal überfluteten ihn Glücksgefühl und Frohlocken. Alles hatte auf sie gewartet: Oa hatte auf sie gewartet. Und eben jetzt trieb sie in den Knollen die Frucht hoch, mästete die Maden, ließ der Erde Gerüche entströmen, die Knospen in jedem Spalt, an jedem Zweig sich runden.
    Er hüpfte auf die Terrasse hinunter, vor ihm lag der Fluß, und er breitete die Arme aus.
    »Oa!«
    Mal rutschte ein wenig vom Feuer zurück, und sein Blick glitt prüfend über die Rückseite der Höhlennische. Er spähte am Boden umher und fegte trockenes Laub und Tierkot zu Füßen des aus der Wand vorspringenden Steinpfeilers zur Seite. Er hockte nieder und räkelte seine Schultern, bis sie in die
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