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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben
Autoren: William Golding
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schniefte, wandte sich um, kletterte an Vivanis Bein hoch und kroch an ihre Brust. Sie erschauerte und lachte, als bedeutete diese Lust und Wonne gleichzeitig auch Angst und Qual. Der Teufel ergriff mit Händen und Füßen von ihr Besitz. Zögernd und nicht ganz ohne Scham neigte sie mit dem gleichen erschreckten Lachen den Kopf, wiegte ihn auf den Armen und schloß die Augen. Die anderen lächelten ihr zu, als spürten auch sie die Berührung des fremden, zerrenden Mäulchens, als sei wider ihren Willen ein Brunnen der Zuneigung aufgebrochen in Liebe und Furcht. Sie gaben bewundernde, unterwürfige Laute von sich, streckten die Hände aus und schauderten doch vor den allzu behenden Beinchen und dem roten, lockigen Haar zurück. Den Kopf voll wirbelnden Sandes, versuchte Tuami an die Zeit zu denken, wenn der Teufel ausgewachsen war. Blieben sie in diesem Hochland und waren sie somit vor den Nachstellungen ihres Stammes sicher, aber geschieden von den Menschen durch die Berge, in denen die Teufel hausten — welche Opfer würde dann die neue Welt der Wirrnis von ihnen fordern, der sie entgegengingen? Sie unterschieden sich von der Schar kühner Jäger und Zauberer, die den Fluß hinauf zum Wasserfall gefahren waren, wie eine durchnäßte Feder von einer trockenen. Unruhig drehte er das Elfenbein in den Händen. Warum sollte er es schärfen für eines Menschen Tod? Wer schliff die Klinge, die sie bewahrte vor der Finsternis der Welt? Marlan versuchte mit rauher Stimme den Gedanken Form zu geben, die ihn beschäftigten:
    »Sie bleiben in den Bergen oder im Dunkel unter den Bäumen. Wir wollen beim Wasser bleiben und auf der Ebene. Das Dunkel unter den Bäumen wird dann hinter uns liegen. Es kann uns nichts mehr anhaben.« Ganz unbewußt verfolgte Tuami wieder mit den Augen den Strich Dunkels, der jetzt von ihnen fortschwang, da das Ufer zurückblieb. Der Teufelsbalg hatte genug. Er kletterte an Vivanis erbebendem Leib hinab und ließ sich in die trockene Bilge fallen. Er begann neugierig umherzukriechen, stützte sich auf die Unterarme und spähte aus Augen voll Sonnenlichts in die Runde. Sie fuhren zurück und empfanden doch Zuneigung, kicherten und ballten doch die Fäuste. Sogar Marlan zog vorsichtig die Beine an. Der Morgen stand in vollem Glanz, und die Sonne hing über den Bergen und strahlte auf sie herab. Tuami ließ das Schleifen sein. Er fühlte über den plumpen Teil, der später das Heft des Dolches werden sollte. Er hatte jetzt keine Kraft in den Händen und kein Bild im Kopf. Weder die Klinge noch ihr Griff war von Wichtigkeit in diesen Wassern. Einen Augenblick lang war er versucht, den Knochen über Bord zu werfen.
    Tanakil öffnete den Mund und stammelte ihre sinnlosen, irren Laute. »Liku!«
    Twal warf sich heulend über die Tochter und preßte ihren Leib an sich, als versuchte sie das Kind zurückzuholen, das daraus entwichen war.
    Der Sand wirbelte wieder und verwirrte Tuamis Gedanken. Er hockte da, wiegte sich hin und her und drehte das Elfenbein unbewußt in der Hand um und um. Der kleine Teufel musterte Vivanis Fuß. Da drang ein Laut von den Bergen herüber, ein gewaltiges Getöse, das an den Hängen entlanghallte und in einem Netz von Schwingungen über das glitzernde Wasser wellte. Marlan hatte sich zusammengekauert und machte mit den Fingern deutende Bewegungen nach den Bergen hin, und seine Augen stierten wie Steine. Vakiti hatte sich niedergeduckt, daß das Ruder sie vom Wind abbrachte und das Segel knatterte. Der Teufel hatte an all dieser Bestürzung teil. Er kletterte schnell an Vivani hinauf, durch ihre Hände hindurch, die sie instinktiv zur Abwehr ausgebreitet hatte, und schlüpfte in die Fellkapuze hinter ihrem Kopf. Er fiel ganz hinein und war gefangen. Die Kapuze ruckte hin und her. Der Lärm aus den Bergen erstarb. Sie atmeten auf, als sei eine drohend erhobene Waffe von ihnen abgewendet worden, und schenkten in ihrer großen Erleichterung alle Aufmerksamkeit und alles neu gewonnene Lachen dem kleinen Teufel. Vivanis Rücken machte einen Buckel, und sie wand sich, als sei ihr eine Spinne unter den Pelz gekrochen. Dann kam der Teufel ärschlings zum Vorschein, sein kleiner Steiß drückte gegen ihren Nacken. Sogar der finstere Marlan verzog sein müdes Gesicht zu einem Grinsen. Vakiti konnte vor wildem Lachen keinen geraden Kurs halten, und Tuami ließ das Elfenbein fallen. Die Sonne schien auf den kleinen Kopf und das Hinterteil, und plötzlich war alles wieder gut und an seinem
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