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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung
Autoren: James Grippando
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angewidert den Kopf.
    »General Howe«, sagte der Moderator. »Dieselbe Frage. Ihre Antwort bitte.«
    Alle Augen wandten sich dem General zu. Vor allem Mahwani fixierte ihn mit stählernem Blick - obwohl Allison hätte schwören können, den Austausch eines leisen und verschworenen Lächelns zwischen den beiden Männern entdeckt zu haben.
    Howe umfasste das Pult und straffte seine Schultern in Richtung der zentralen Fernsehkamera.
    »Meine lieben amerikanischen Mitbürger«, sagte er feierlich. »Vor nahezu vier Dekaden stand Dr. Martin Luther King auf den Marmorstufen des Lincoln Memorial und erklärte dem amerikanischen Volk: Ich habe einen Traum .
    Er träumte von dem Tag, an dem die Menschen nicht mehr nach ihrer Hautfarbe beurteilt werden, sondern nach ihrem Charakter.
    Ich habe denselben Traum. Alle Menschen sollten nach ihrem Charakter beurteilt werden. Das gilt für Männer ebenso wie für Frauen. Das gilt für Weiße, Schwarze und Menschen aller Rassen. Und vor allen Dingen gilt dies für Kandidaten, die sich um öffentliche Ämter bewerben - Männer und Frauen, die sich um die Gunst und das Vertrauen der Öffentlichkeit bemühen.
    Offenbar haben meine Opponentin und ich unterschiedliche Prinzipien. Während Ms. Leahy die Antwort aus Gründen des Prinzips verweigert, werde ich sie beantworten - auf der Basis meiner Prinzipien.«
    Howe sah direkt in die zentrale Kamera. »Nein, ich habe niemals das eheliche Treuegelöbnis gebrochen. Und ich würde niemals schweigen über etwas, das meiner Ansicht nach die heiligste Prüfung für den Charakter eines jeden Mannes ist.« Er hielt inne, dann warf er einen verurteilenden Blick auf Allison. »Und einer jeden Frau.«
    Howes Anhänger brachen in Jubel und stehende Ovationen aus. Der Moderator hob die Arme. »Ruhe bitte. Ruhe.«
    Der Jubel wurde nur noch lauter.
    Allisons Herz pochte heftig. Die Deckenscheinwerfer schienen plötzlich noch heißer. Allison bekam feuchte Hände. Sie sah zu David Wilcox hinüber, der sie von Anfang an vor einem Hinterhalt gewarnt hatte. Normalerweise verzog er in der Öffentlichkeit keine Miene. Jetzt hingegen sprachen seine Blicke Bände.
    Der Rest des Abends war nicht mehr von Bedeutung. Allison war völlig demontiert worden.
3
    »Leahy verweigert Aussage zu Ehebruch«, lautete die Schlagzeile am Freitagmorgen.
    Am Abend zuvor hatte sich Allison mit Bauchschmerzen in ihr Hotelzimmer im Ritz Carlton zurückgezogen, in der Hoffnung, dass sie am nächsten Morgen weg wären. Stattdessen waren sie schlimmer.
    Sie warf das Atlanta Journal auf das ungemachte Bett. Die New York Times und die Washington Post hatten weniger sensationelle Schlagzeilen, aber um acht Uhr hatte sie genug gelesen und gehört, um zu wissen, dass selbst die angesehensten Druck- und Fernsehmedien dieselben verdammten Fragen nach ihrem Charakter aufwarfen. Hatte sie etwas zu verbergen? Wenn ja, würde das amerikanische Volk eine Frau zum Präsidenten wählen, die ihren Mann betrogen hatte?
    Als der Strahl der warmen Dusche auf ihren Körper prasselte, fiel ihr wieder ein, was ihre Mutter vor acht Jahren gesagt hatte, als Emily entführt worden war - das Kredo der Leahys: »Nichts geschieht ohne Grund.« Heute Morgen ergab nicht einmal dieses Kredo einen Sinn. Allison hatte den Verlust ihrer Tochter nur durch die Schlussfolgerung überwunden, dass sie zu etwas anderem bestimmt war in ihrem Leben, zu etwas, das so großartig war, dass es selbst über die Mutterschaft hinausging. Sie hatte sich in ehrenamtliche Tätigkeit gestürzt. Schließlich bekleidete sie den Posten der Vorstandsvorsitzenden bei der Benton Foundation und übernahm den Vorsitz des amerikanischen Kinderschutzbundes, was ihr die Bekanntschaft mit der First Lady eintrug. Sie setzte ihren Kreuzzug fort als Justizministerin und als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Der Verlust von Emily würde nie einen Sinn ergeben, aber sie hatte sich bemüht, soviel Sinn daraus zu ziehen wie irgend möglich.
    Der Ehebruchskandal bedrohte nicht nur ihre Hoffnungen auf die Präsidentschaft, sondern erschütterte ihren inneren Frieden, den sie auf dem wackligen Fundament des Ehrgeizes aufgebaut hatte.
    »Ich hab's dir ja gesagt«, flüsterte sie sich selbst zu, als sie ihr nasses Spiegelbild in der gläsernen Duschtür vor sich sah. Genau das hätte ihre Mutter ihr gesagt, wenn sie noch am Leben wäre. Sie hatte Allison gewarnt, dass Washington launisch sei, besonders gegenüber Frauen. Aber Allison war viel zu
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