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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung
Autoren: James Grippando
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sehr damit beschäftigt gewesen, aufzusteigen, als dass sie sich Sorgen über den Absturz gemacht hätte. »Frauen wollen so sein wie sie, Männer wollen sie kennenlernen« - Mit diesen Worten hatte das Lifestyle-Magazin George vor vier Jahren das Phänomen Leahy auf den Punkt gebracht. »Die Klasse von Jackie O., das Charisma von JFK«, hatte die Times erklärt. Allison brachte so viel Enthusiasmus für ihr Amt auf, dass die Menschen das Justizministerium humorvoll als das Energieministerium bezeichneten. Talentierte Anwälte, die im Normalfall nicht daran gedacht hätten, ihre lukrativen Privatkanzleien aufzugeben, rannten ihr scharenweise die Tür ein für einen schlecht bezahlten staatlichen Posten, nur um mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie konnte einen Modetrend dadurch auslösen, dass sie am Samstagmorgen im Büro einen Gymnastikanzug trug, oder ein lokales Restaurant wurde dadurch »chic«, dass sie auf dem Weg zur Arbeit kurz einkehrte, um ein Muffin zu essen.
    Und jetzt der Absturz - verdammte elf Tage vor der Wahl. Mutter, du hattest wieder mal recht. Also schaff mir die Bastarde vom Hals.
    Gegen halb neun hatte Allison in ihrem Zimmer gefrühstückt, ihre Koffer gepackt und war vorbereitet auf einen langen Tag voller Auftritte in Atlanta. Sie und David Wilcox saßen auf dem Rücksitz einer Limousine, auf dem Weg vom Ritz Carlton in Buckhead nach Five Points in der Innenstadt. Normalerweise bewachte das FBI die Justizministerin, jetzt aber genoss sie zusätzlich den Schutz des Secret Service. Eine Plexiglasscheibe trennte sie und Wilcox von den Agenten auf den Vordersitzen, so dass sie ungestört waren. Während der Fahrt die Peach Street hinunter waren beide in Gedanken versunken. In der Limousine wurde es abwechselnd hell und dunkel durch die Schatten der gläsernen Bürotürme. Schließlich brach Wilcox das Schweigen. »Ich muss es wissen, Allison.« Sie wandte sich ihm zu. »Sie müssen was wissen?« Er hob eine Augenbraue, als hätte sie einen Scherz gemacht. »Warum sind Sie der Frage ausgewichen?« »Weil sie keine Antwort verdient hat.« Er lachte in sich hinein, aber es war ein verärgertes Lachen. »Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Meryl Streep in Brücken am Fluss Vielleicht ist es im Kino anders, aber außerehelicher Sex kann immer noch das Ende einer politischen Karriere bedeuten.«
    »Ach ja?« sagte sie in einem herausfordernden Tonfall. »Ich muss sagen, dass ich diese ganze Kontroverse sehr faszinierend finde. Und was ist mit all den Männern, die in diesem Land zum Präsidenten gewählt wurden, obwohl sie die größten Schürzenjäger waren? Aber in dem Moment, wo nur die leiseste Möglichkeit besteht, dass eine Frau, die für das Präsidentenamt kandidiert, ihrem Mann untreu gewesen sein könnte, schlägt die alte Doppelmoral gleich wieder zu. Die ganze Nation macht plötzlich einen Zeitensprung. Es ist wie ein Rückfall ins Jahr 1952, als auf der Titelseite von Look in Bezug auf Adlai Stevenson die Frage aufgeworfen wurde: Kann ein geschiedener Mann zum Präsidenten gewählt werden?«
    Wilcox war wie versteinert. »Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Frage mit nein beantwortet wurde. Und er verlor gegen einen geachteten Kriegshelden, einen General der Armee der Vereinigten Staaten.«
    »Lincoln Howe ist kein Dwight Eisenhower.«
    Sie schwiegen wieder, bis die Limousine an einem hochaufragenden zylinderförmigen Gebäude vorbeifuhr, das aussah wie ein siebzigstöckiger Silo.
    »Ich denke, dass Sie die Frage beantworten sollten«, sagte er, während er aus dem Fenster starrte.
    Allison sah ihn gereizt an. »Nein.«
    »Haben Sie denn tatsächlich etwas zu verbergen? Ist das der Grund, warum Sie nicht antworten wollen?«
    Sie verzog das Gesicht. »Ich stand gestern Abend vor fünfzig Millionen Zuschauern und habe mich geweigert, irgendwelche Fragen über eheliche Treue zu beantworten - aus Prinzip. Wenn ich dann, nur zwölf Stunden später, nach einem Blick auf die jüngsten Meinungsumfragen, plötzlich doch auf die Frage antworte, was würde das über meine Prinzipien aussagen?«
    Die Augen traten ihm fast aus dem Kopf. »Es ist ja wohl nicht nur Ihr Ruf, der hier auf dem Spiel steht, oder? In diesem Geschäft macht man sich keinen Namen, indem man Wahlen auf der Zielgeraden verliert. Ein Jahr meines Lebens - achtzehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche - habe ich in Ihren Wahlkampf gesteckt, und zwar mit einem Ziel: dass Sie gewählt werden. Das lasse ich mir doch nicht
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