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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung
Autoren: James Grippando
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eine ganze Menge Dinge aus Schuldgefühlen heraus. Sie lächeln Sie an. Sie laden Sie zu sich nach Hause ein. Sie erlauben Ihnen sogar, das Fox Theatre durch den Vordereingang zu betreten. Aber solange es geheime Wahlen in diesem Land gibt, werden sie niemals aus Schuldgefühl einen Schwarzen zum Präsidenten wählen.« »Sondern? Wegen seines Charakters?« »Allerdings. Die Medien weiden sich doch schon daran. Warten Sie nur, bis unsere örtlichen Organisationen dieses Thema anheizen. Alle Priester, Prediger und Rabbis werden an diesem Wochenende über Ehebruch reden. Bei den Radio-und Fernsehshows werden die Telefone nicht mehr stillstehen. Besorgte Eltern werden die Lokalzeitungen mit Leserbriefen bombardieren. Die Lehrer werden Moral zum Unterrichtsthema machen. Es gibt zahllose Möglichkeiten, dieses Thema zu behandeln.« »Und ich? Was soll ich sagen?«
    »Ich werde selbst etwas aufsetzen. Es hat mir nicht gepasst, was unsere Redenschreiber zustande gebracht haben. Sie sind zu ängstlich, was man irgendwie verstehen kann. Unmengen von Leuten haben Affären gehabt oder jemandem verziehen, der sie betrogen hat. Sie werden befürchten, dass wir uns zu sehr als Richter aufspielen- als wollten wir sie verurteilen, nicht Leahy.«
    »Und wie wollen Sie das machen?«
    »Sir, ich bin fest davon überzeugt, dass man die Heuchelei der Amerikaner nicht unterschätzen darf.«
    »Buck, Sie sind ein politisches Genie.«
    »Sie können das ruhig mir überlassen, Sir. Ich werde dafür sorgen, dass von heute an bis zur Wahl jeder Mann und jede Frau in Amerika über Untreue in der Ehe spricht.«
    Der General wandte sich zum Fenster und betrachtete erneut das Transparent am Vordach des Theaters, das die Debatte vom Vorabend ankündigte. »Jeder«, sagte er selbstgefällig, »außer Allison Leahy.«
4
    Der Freitag war reine Zeitverschwendung. Allison hatte sich bemüht, über wesentliche Dinge zu reden. Sie hatte sogar für ihre »Nulltoleranz«-Politik gegenüber jugendlichen Autofahrern geworben - die Promillegrenze sollte bei Null liegen, da für Jugendliche Alkoholkonsum sowieso illegal war. Aber alle hatten sich ausschließlich für ihre Schlafgewohnheiten interessiert.
    Sie war mit ihren Gedanken tatsächlich woanders gewesen seit der morgendlichen Fahrt in der Limousine, bei der der anklagende Tonfall ihres eigenen Wahlkampfmanagers sie auf den Gedanken gebracht hatte, dass ja vielleicht sogar ihr eigener Mann Zweifel hatte. Dass er sich ganz gegen seine Gewohnheit nicht nach ihrem Telefonanruf am Mittag gemeldet hatte, hatte ihre Befürchtungen nicht gerade zerstreut. Sie sagte ihre letzte Freitagabendveranstaltung ab, um die Nacht in ihrem eigenen Bett verbringen zu können, an der Seite von Peter.
    Um 22:55 Uhr landete der Privatjet schließlich am National Airport von Washington. Vom Terminal fuhr sie nach Hause, allein auf dem Rücksitz ihrer Limousine. Ihre übliche Eskorte fuhr voraus, zwei der vier FBI-Agenten, die sie schon zu ihrer Zeit als Justizministerin bewacht hatten, noch bevor sie ihre Kandidatur angekündet hatte und zu einer interessanteren Zielscheibe wurde, die zusätzlich den Schutz des Secret Service benötigte.
    Die Wahrzeichen der Macht und der Geschichte Washingtons erleuchteten den Nachthimmel entlang der Schnellstraße. Das Jefferson Memorial. Das hoch aufragende Washington Monument. Die Kuppel des Capitols in der Ferne. Während der Fahrt erinnerte sie sich an ihren ersten Familienausflug nach Washington vor vierzig Jahren, auf dem sie ihrem zehn Jahre alten Bruder eine Ohrfeige verpasst hatte, weil er ihr erklärte, nur Jungs könnten Präsident werden. Ob durch die zerkratzte Windschutzscheibe des Familienkombis oder durch die dunkel getönten Fenster der Limousine der Justizministerin, die beeindruckenden steinernen Monumente waren dazu angetan, Träume zu inspirieren und der Politik Würde zu verleihen.
    Was für eine Illusion, dachte sie.
    Sie schaltete den kleinen Fernseher an, der in die Konsole eingelassen war. Der Bildschirm verbreitete flimmerndes Licht. Es war kurz nach halb zwölf. Aus makabrer Neugier wollte sie wissen, was die Gäste der Talkshows heute Abend über sie redeten. Jay Leno hatte gerade mit der Einleitung seiner »Tonight Show« begonnen. In seinem üblichen dunklen Anzug stand er vor einer jubelnden Menge, wie immer ein teuflisches Grinsen im Gesicht.
    »Fairerweise müssen wir sagen«, scherzte Leno, »dass Justizministerin Leahy wirklich mit harten Fragen bombardiert
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