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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung
Autoren: James Grippando
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vermasseln durch irgend so eine Wochenendsause mit irgend so einem neunzehnjährigen Wahlkampfhelfer, von dem Sie mir nichts erzählen wollen.«
    »Das denken Sie wirklich von mir?« fragte sie verbittert.
    »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich habe es einfach verdient, die Wahrheit zu erfahren.«
    »Der einzige, der es verdient hat, alles zu wissen, ist Peter.
    Und wissen Sie was? Peter hat nicht im Traum daran gedacht, mich so einen Blödsinn zu fragen, bevor er das Hotel heute Morgen verlassen hat. Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen, sage ich's Ihnen: Nein, ich habe Peter nie betrogen. Wollen Sie jetzt vielleicht noch wissen, welche Stellungen ich bevorzuge?«
    Sein Handy klingelte. Er wandte den Blick ab und meldete sich. »Wilcox.«
    Allison holte tief Luft. Es überraschte sie, dass selbst ihr eigener Wahlkampfleiter ihre Integrität in Frage stellte. Es war ihr bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen, aber vielleicht hätte Peter auch ein bisschen Beruhigung gebrauchen können. Vielleicht waren es doch nicht nur » Geschäfte« gewesen, die ihn früher als erwartet hatten aus dem Ritz aufbrechen lassen.
    Ihr Blick wanderte zurück zu Wilcox. Er massierte sich die Schläfen, als er das Telefon abschaltete. »Was gibt's«, fragte sie.
    »Die Ergebnisse der Gallup-Umfragen von gestern Abend sind da. Ihre sechs Punkte Vorsprung sind auf eineinhalb zusammengeschmolzen. Wenn man die Irrtumswahrscheinlichkeit einbezieht, laufen Sie und Howe ein totes Rennen.« Er kniff die Augen zusammen, dann sah er ihr in die Augen. »Ihnen ist doch hoffentlich klar, was das bedeutet, oder?«
    »Ja«, sagte sie ungläubig. »Wir sind wieder im Jahr 1952 angekommen.«
    Aus seiner Hotelsuite fünfzehn Stockwerke über Atlanta lächelte Lincoln Howe hinab auf den Schauplatz seines gestrigen Sieges. Das alte Fox Theatre hatte die Archtitektur einer Moschee, mit Zwiebeltürmen und Minaretten, ein grandioses Monument aus der Zeit der vorübergehenden Faszination der Amerikaner für »alles Ägyptische«, nachdem im Jahre 1922 das Grabmal von Tutenchamon entdeckt worden war. Das Vordach über dem Haupteingang an der Peachtree Street kündete noch immer »Präsidentschaftsdebatte, heute 21:00 Uhr« an. Der General bekam leuchtende Augen und wünschte, es wäre heute Abend und er könnte das alles noch einmal erleben.
    »Witzig, nicht wahr?« sagte er, als er sich vom Fenster abwandte. Aber sein Wahlkampfmanager hörte nicht zu. Wie üblich saß Buck LaBelle am Telefon und führte fünf Gespräche gleichzeitig.
    Seit Jahren kannte General Howe den vierundvierzig Jahre alten LaBelle, der sich als Zigarren kauendes Mitglied der Legislative des Staates Texas einen Namen gemacht hatte. Er war Absolvent der Texas A&M University und ein Wahlkampfmanager, der aus dem Schlachtruf von Alamo eine amerikanische Siegeshymne gemacht hätte. Als Vorsitzender der Republican National Party in den frühen Neunzigern war er ein hartnäckiger Spendenbeschaffer und Hauptautor des Wahlkampfhandbuchs des Republikanischen Nationalkomitees gewesen. Howe persönlich hatte ihn rekrutiert, damit er seinen Wahlkampf zu den Vorwahlen in Texas leitete. Er sah in dem erfahrenen LaBelle die perfekte Ergänzung zu sich selbst, einem Kandidaten, der bisher nie ein öffentliches Amt bekleidet hatte. Bis zum Memorial Day hatte LaBelle die Spitzenposition unter den nationalen Wahlkampfmanagern errungen.
    Howe schaute mit gebieterischer Miene zu ihm hinüber. LaBelle legte pflichtschuldig den Hörer auf und widmete dem General seine ganze Aufmerksamkeit.
    Mit einer knappen Kopfbewegung deutete Howe auf das Fenster. »Sehen Sie den Notausgang seitlich vom Theater? Dort drüben.« Er wies hinunter. »Auf der Ponce de Leon Avenue.«
    LaBelle ging zum Fenster und blickte hinab. »Ja, Sir. Sehe ich.«
    »Als ich ein Junge war, nahm meine Tante mich und meinen Bruder genau in dieses Fox Theatre mit, um mit uns eine Samstagnachmittagsvorstellung anzusehen. Ich dachte erst, sie wollte uns rein schmuggeln. Ich verstand nicht, warum wir durch den Notausgang hineingingen. Aber das war der einzige Eingang für Farbige. Die Weißen benutzten diesen prächtigen Eingang von der Straße her, der so aussieht wie ein Grabmal.«
    LaBelle blinzelte; er schämte sich für die Weißen. Doch dann wurde er plötzlich ganz ernst. »Ich bin froh, dass Sie das nicht gestern abend während der Debatte erwähnt haben, Sir.«
    »Warum?«
    Er verzog das Gesicht peinlich berührt. »Weiße tun
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