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In deinen Armen

In deinen Armen

Titel: In deinen Armen
Autoren: Christina Dodd
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Kapitel 1
    England, 1843
    »Bitte, Mrs. MacLean, erzählen Sie uns von
Ihrer
Hochzeit!«
    Den Mund voller Kuchen, schaute Enid in die Runde der glückstrahlenden Frauengesichter und das rundbackige Antlitz des blonden Mädchens, um dessentwillen sie hier in Lady Halifax' Salon versammelt waren. In knapp zwei Wochen würde das Mädchen als errötende Braut neben Lady Halifax' Unterbutler treten. Enid holte schluckend Luft. »Meine Hochzeit? Oh, wer möchte schon von
meiner
Hochzeit hören?«
    »Wir!«, antwortete ein wissbegieriger Chor aus Lady Halifax' Dienstmädchen aus dem Ober- und Untergeschoss sowie ihren Küchenmädchen, den Kopf voller pluderig süßer Träume von der großen Liebe.
    Im reifen Alter von sechsundzwanzig war Enid ihnen an Lebenszeit um fünf, an Sarkasmus um* mindestens fünfhundert Jahre voraus.
    »War Ihre Hochzeit auch so schön, wie meine wird?« Kay schlug die Hände vor die Brust. Das Haar über und über mit Blüten und Bändern dekoriert und von Geschenken umgeben, strahlte das Mädchen vom Licht der Liebe.
    Enid versuchte verzweifelt, der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben. »Nichts kann so wundervoll sein, wie deine Hochzeit es werden wird. Die Spitze, die ich dir in Lady Halifax' Auftrag als Hochzeitsgeschenk mitgebracht habe, wird einen entzückenden Kragen für dein Brautkleid abgeben.«
    »Ja, gewiss.« Kay tätschelte die kunstvolle, maschinell gefertigte Spitzenborte, die Enid ihr überbracht hatte. »Lady Halifax ist eine gute Herrin, und Sie müssen ihr meinen Dank bestellen. Hatten Sie denn auch Spitze an Ihrem Kleid, Mrs. MacLean?«
    Das Problem, so sah es Enid, bestand darin, dass sie eine Frau war, die Rätsel aufgab.
    Oh, nicht wirklich, natürlich. Enid lebte seit drei Jahren als Lady Halifax' Gesellschafterin und Pflegerin in deren Londoner Stadthaus. Anfangs hatte sie kaum mehr zu tun gehabt, als der Lady den Gehstock zu reichen und dafür zu sorgen, dass stets ein sauberes Taschentuch zur Hand war. Doch im Laufe der Zeit hatte der Muskelschwund Lady Halifax zunehmend geschwächt, und Enid war ihrer Arbeitgeberin Mund und Ohr geworden. Sie berichtete Lady Halifax über die Aktivitäten im Haushalt und gab ihre Anweisungen an die Bediensteten weiter. Aber nie, wirklich noch nie, hatte sie jemandem anvertraut, was es mit ihrer Vergangenheit auf sich hatte.
    Sie wusste, die Gerüchteküche brodelte. Ihr Upperclass-Akzent, ihre Bildung und ihre Manieren ließen die Mädchen annehmen, sie sei eine dem Unglück anheim gefallene Lady, die sich mit Arbeit durchs Leben bringen musste. Enid hatte nichts unternommen, dieser Ansicht entgegenzuwirken.
    Jetzt hatten sie Enid mit Tee und Kuchen, hochfliegenden Erwartungen und ausschweifender Fantasie in die Falle gelockt.
    »Bitte, Mrs. MacLean!«, bettelte Sarah, das Stubenmädchen für den oberen Salon.
    »Bitte!« Shirley, fünfzehn Jahre alt und frisch vom Land, klatschte in die Hände und kippte dabei ihren Kuchenteller vom Schoß auf den Teppich.
    Alles sprang auf. Enid brachte das erschreckte Geschrei zur Ruhe und half, das Malheur zu beheben. »Alles wieder in Ordnung, Liebes. Schau! Es ist nichts passiert.« Um die in Tränen aufgelöste Shirley abzulenken, sagte sie: »Hör auf zu weinen, damit ich von meiner Hochzeit erzählen kann.«
    Shirley schniefte in ein Taschentuch. »Ja.«
    »Erzählen Sie«, drängelte Kay.
    Enid konnte den Mädchen keinesfalls die Wahrheit sagen – also musste sie ihnen eine Lüge auftischen.
    »Haben Sie in einer großen Kirche geheiratet?« Ardelia, hausbacken, pummelig und braunhaarig, tippte mit dem Daumen die letzten Kuchenkrümel auf.
    Enid legte die Gabel aus der Hand, stellte ihren Teller auf das Beistelltischchen neben sich und entschied, dass sie, wenn sie schon eine Lügengeschichte erzählte, genauso gut eine kolossale erzählen konnte. »Ich wurde in einer
Kathedrale
getraut, und zwar von einem
Bischof.«
    »In einer Kathedrale?« Sarahs braune Augen weiteten sich.
    »An einem wunderschönen, sonnigen Junimorgen mit rosafarbenen Wildrosen in den Armen und im Beisein all meiner Freunde.«
    »Waren Sie in Weiß wie Königin Victoria?« Ardelia bibberte vor Aufregung.
    »Nein, war ich nicht.«
    Die Mädchen murrten enttäuscht.
    »Ihre Majestät hatte damals noch nicht geheiratet, und es war noch nicht in Mode. Ich hatte ein blaues Barchentkleid an, ein ganz feines« – nur zweimal gewendet –, »mit einem prächtig wogenden Rock und schwarzen Spitzenhandschuhen« – von der
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