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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts
Autoren: Ralf Bönt
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er davon hörte.
    Er war noch in München, und die Messung konnte unmöglich einfach gewesen sein. Ein Signal raste durch die Zeitzonen einer sich während der Hinreise weiter mit dem Signal drehenden Erde, die sich während der Rückreise des Signals entgegen der Richtung des Signals bewegte. Wenn das keine Rolle spielte, wollte er einmal herausfinden, wieso nicht. Aber man sollte überhaupt alle relativen Geschwindigkeiten sorgfältig beachten, damit man nirgends Fehler macht, dachte er. Wenn man auf die Uhr sah, spielte es doch eine Rolle, woher das Licht kam. Alles drehte sich und flog oder ruhte, Erde, Äther, Sonne, auch die Milchstraße bewegte sich womöglich, oder war die wenigstens festgemacht irgendwo?
    Die Zeit, die der Lichtstrahl von der Uhr bis ins Auge benötigte, musste ja davon abhängen, mit welcher relativen Geschwindigkeit er zuvor auf die Uhr getroffen war. Wie bei den Ballspielen, die alle anderen in der Klasse so abgöttisch liebten und die er zu beobachten viel spannender fand, jeder Ball nach einem Aufprall davon abhing, woher er vor dem Aufprall wie schnell gekommen war. Wenn man eine Vierzigstelsekunde messen wollte, spielte davon sicher etwas eine Rolle, und man sollte, fand er, erst einmal Ordnung in dieses Chaos von Bewegungen bringen, bevor man einfach von einer Vierzigstelsekunde sprach, die man willkürlich an den Hügel in Greenwich genagelt hatte, auf dem sich Sonntags die Verliebten trafen, wie die Zeitung schrieb.
    Die von den beiden englischen Journalisten beim gemeinsamen Frieren vor der Versuchsstation erwähnten Probleme mit der Geschwindigkeit des Lichtes kannte er noch nicht: Den Äther hatten zwei Amerikaner widerlegt, es gab keinen Äther. Dafür hatte man die Vermutung, Licht sei doch noch eigenartiger, als man annahm, denn es verdichteten sich die Hinweise, dass es immer gleich schnell war, egal wie man sich zur Lichtquelle bewegte. Arago hatte das als Erster gemessen, aber nicht verstanden, und Albert sollte später als Erster annehmen, dass, da die Geschwindigkeit nicht war, was alle dachten, Raum und Zeit es noch viel weniger waren.
    Aber auch die Zivilisation war es noch nicht. Von ihr hörte Albert im Zusammenhang mit dem elektrischen Stuhl. Er wurde wie angekündigt gebaut.
    »Sie mussten gebrauchte Generatoren nehmen«, erzählte Jakob beim Abendessen, »weil Westinghouse ihnen keine verkaufen wollte dafür. Und die haben sie in Brasilien gefunden. Sie haben allen gesagt, dass sie von Westinghouse sind, Wechselstromgeneratoren von Westinghouse nach Teslas Patent.«
    Westinghouse hatte dann einen Anwalt angeheuert, den besten, den er kriegen konnte, den teuersten. Sie zogen vor den Supreme Court, weil die Verfassung grausame Bestrafung verbot. Zweimal unterlagen sie. Die Wissenschaft habe, so meinten die Richter, viel in die Forschung investiert und gezeigt, dass es eine saubere Art sei zu töten.
    »Die Generatoren«, ließ auch Edison überall wissen, »sind in dieser Hinsicht sicher, sie sind ja von Westinghouse.«
    Und so pilgerten Hunderte Menschen zum New Yorker Staatsgefängnis in Auburn, um enttäuscht festzustellen, dass die Exekution in einem geschlossenen Raum stattfand, zu dem nur fünfundzwanzig geladene Gäste Einlass erhielten. Der Konstrukteur Fred Leuchter hatte ausgerechnet, dass fünf Ampere, die mittlerweile gültige Einheit für Stromstärke, bei zweitausendsechshundertvierzig Volt, der Einheit für Spannung, die richtige Leistung war, um William Kemmler, einen eifersuchtskranken Alkoholiker aus Buffalo, elektrisch zu töten. Kemmler war eines Tages bei seinem Nachbarn erschienen und hatte mitgeteilt, seine Freundin Tilly gerade erschlagen zu haben und den Strick zu erwarten.
    Zweitausendsechshundertvierzig waren genau richtig. Bei höherer Leistung würde es schneller gehen. Aber Kemmler würde vor den Augen der Zeugen zu Asche verbrennen. Weniger wäre zu langsam.
    Der Generator brummte im Nebenraum, als alle Platz genommen hatten, auch Kemmler, dem ein Metallband um den Kopf
gelegt wurde. Der Henker befestigte eine Elektrode an der Wirbelsäule. Aufgeregt befeuchtete er beide Kontakte mit einer Salzlösung, wurde von Kemmler zur Gelassenheit gemahnt, ging in den Nachbarraum und legte den Schalter um.
    William Kemmlers festgeschnallter Körper wand sich in Krämpfen, er wurde knallrot, und als nach siebzehn Sekunden der Strom abgestellt wurde, sagte Albert Southwick, einer der Verfechter der Exekution, man habe nach zehn Jahren Forschung
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