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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts
Autoren: Ralf Bönt
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nur, was er kannte. Bald redete er in seinen Selbstgesprächen, die Katherine belustigten, nicht mehr von Dingen, die es in der Natur bislang schon gegeben hatte oder von denen er leicht hätte sagen können, wie man sie sich vorstellen sollte. Darum ging es nicht.
    Er fuhr nach Glenlair in den Urlaub, ohne das Modell fertiggestellt zu haben, ohne Bücher, ohne Aufzeichnungen. Er wollte Urlaub machen. Er wollte die frische Luft genießen und seinem verstorbenen Vater nahe sein, den er lange nach den Vorgaben von Florence Nightingale gepflegt hatte. Doch ließ das Modell ihn nicht in Ruhe, und wieso sollte es das auch?
    Papier und Bleistifte gab es reichlich auf Glenlair. Frühmorgens, dann auch spätnachts saß er, bis die elektromagnetischen Kräfte sich als transversale Wellen ausbreiteten. Alle ihm bekannten Effekte konnte er berechnen, dazu gehörte auch die Geschwindigkeit der Wellen. Die Formel, die er dafür erhalten hatte, war dem langen Weg der Herleitung zum Trotze denkbar einfach, und schon deshalb konnte er sich kaum vorstellen, dass sie falsch war. Lange sah er sie an. Er benötigte einige Messergebnisse über elektrostatische und elektrodynamische Größen und hatte auch eines nicht bei der Hand: die Lichtgeschwindigkeit. Diese Zahlen lagen in London.
    Er ging angeln, reiten und wandern. Er reparierte das Haus, schlief mit Katherine, er rannte mit den Hunden bei starkem, vom Wind schiefem Regen über Wiesen. Er sprang über Bachläufe und baute einen Zaun, er gab Anweisungen und unterschrieb Schecks und rauchte Zigarren, trank Whiskey.
    Dann fuhren James und Katherine nach London, wo er sich ohne Umweg an seinem Büro absetzen ließ, Katherine noch einmal küsste, den Portier grüßte, ohne es zu merken, und in sein Büro stürmte, wo er das Fenster öffnete, London ein Halleluja gönnte, die Schublade mit den Zahlen aufzog, den Bleistift spitzte, die Zahlen einsetzte, während er im Kopf die Dimensionen überprüfte, um keine Fehler zu machen, denn das passierte leicht, und man lag um tausend oder hunderttausend oder um einen Faktor zehn daneben. Wieso war das eigentlich so schwer, die Dimensionen richtig zu haben, wieso machte er immer da seine Fehler?
    Nach dreifachem Prüfen erhielt er für die Geschwindigkeit der Fortpflanzung seiner elektromagnetischen Undulationen im Raum bis auf ein einzelnes Prozent genau jene Zahl, die Foucault, dieser alte französische Fuchs, nach der neuesten Methode als die Geschwindigkeit des Lichtes gemessen hatte: 310740 Kilometer. Pro Sekunde.
    Das fand er wirklich schnell.
    James Clerk Maxwell setzte sich erst jetzt und atmete aus, bevor er einen Zettel nahm, alles noch einmal durchging, obwohl es nicht falsch sein konnte, denn ein Fehler produziert nie Übereinstimmung. 310740 Kilometer pro Sekunde. Er sah auf das Porträt seiner Mutter, das auf dem Boden in einem Rahmen stand, in vielleicht zwanzig, zweiundzwanzig Grad Neigung zur Senkrechten. Es sollte bald aufgehängt werden. Er nahm einen zweiten Zettel, schrieb den Namen Faradays darauf und blieb, was sich für einen wie ihn gehörte: vorsichtig.
    »Ob nun meine Theorie richtig ist oder nicht«, meinte er, »wir haben guten Grund anzunehmen, dass das elektromagnetische und das lichterzeugende Medium eins sind.«
    Zwei Jahre später hatte Maxwell das Modell von magnetischen Rädern oder rotierenden, elastischen Zellen befreit. Nun waren die Wellen einfache Eigenschaften des Raumes und der Zeit, elektromagnetische. Sie zeigten an, was mit einer Ladung passierte, die sich, um nur ein Beispiel zu nennen, auf einem Sehnerv befinden konnte: Sie konnte von einer anderen Ladung, die weit entfernt war und sich bewegte, erregt werden, als sei ein Seil zwischen ihnen, auf dem eine Welle liefe, obwohl es nur eine Feldlinie war.
    Der Sehnerv musste nicht einem Physiker gehören.
    Maxwell zeigte Faraday, der immer noch lebte und auf Vorschlag von Prinz Albert und Königin Victoria mit Sarah zusammen ein Haus im Hampton Court Green bezogen hatte, die Formeln. Faraday hatte danach gefragt.
    »Ach so«, sagte er und rieb sich das Kinn. Dann griff er sich in die schneeweißen Haare.
    Maxwell strahlte: »Sie sind kohärent.«
    »Ach so«, sagte Faraday und zog den Kopf ein, weil er nicht wusste, ob das etwas Gutes war. Zweimal stand da auch, wenn er das richtig sah, dass etwas gleich Null war.
    Maxwell erklärte: »Im Vakuum.«
    Sein Freund, Kollege und Bewunderer nickte ihm unsicher zu. Viele Jahre war es her, dass Faraday volle
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