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Die Elementare von Calderon

Die Elementare von Calderon

Titel: Die Elementare von Calderon
Autoren: Jim Butcher
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sich ihr bieten würde: ihr Bruder, tot auf den Steinen. Faede, der erwürgt oder mit gebrochenem Genick am Ende eines Seiles hing. Tavi auf dem Wehrgang, verblutet.
    Stattdessen lag Bernard ruhig am Fundament der Mauer. Das Kettenhemd war von der Wunde zurückgerollt, die ihm der Söldner mit dem Schwert zugefügt hatte, und die Haut war rosa und glatt - gerade erst mit Hilfe eines Elementars geheilt. Sie stolperte
über den Schutt zu ihrem Bruder und legte ihm die Hand an den Hals. Sein Puls ging langsam und gleichmäßig und kräftig.
    Tränen stiegen ihr in die Augen und ließen die Welt verschwimmen. Da hörte sie eine Bewegung, sah auf und entdeckte Faede, der sich gerade aus einer sitzenden Position erhob. Die Haut am Hals war aufgeschürft, sein Ärmel mit Blut befleckt, aber der Schnitt am Arm war geheilt worden, und die rosa Haut an der Stelle leuchtete fast.
    »Faede«, keuchte Isana. »Wie...?«
    Der Sklave wandte sein Gesicht in Richtung Wehrgang. »Tavi«, sagte er angespannt. »Sie sind hier oben bei ihm.«
    Kleine Steinchen rieselten herab, und Isana blickte hoch.
    Auf der Mauer stand Odiana und starrte sie mit gleichgültiger Miene aus dunklen, tief liegenden Augen an. Sie bewegte einen ihrer nackten Füße und stieß ein Stück Seil zur Seite, das daraufhin zu Isana herunterschwang.
    »Komm hoch«, sagte Odiana.
    »Was hast du mit ihm angestellt?«, wollte Isana wissen.
    »Du weißt, dass ich dich nicht hören kann«, erwiderte die Wasserhexe. »Komm hoch.« Damit verschwand sie hinter der Kante.
    Isana blickte Faede an und griff nach dem Seil. Der Sklave trat mit ernstem Gesicht näher, legte ihr die Hände auf die Hüften und hob sie an, während sie zu klettern begann.
    Oben auf dem Wehrgang stand Odiana vor den reglosen Leibern von Tavi und Amara. Beide waren blass und still, atmeten jedoch gleichmäßig. Isana eilte zu Tavi, bückte sich und strich ihm eine verirrte Locke aus den Augen. Sie schluchzte vor Erleichterung und spürte eine gewisse Erlösung von dem Schrecken und der Angst der vergangenen Tage, was die Tränen mit Macht in ihr aufsteigen ließ. Sie gab sich nicht die Mühe, sie mit Hilfe von Bächlein zu unterdrücken.
    »Glücklich wieder vereint«, murmelte Odiana. »Da.« Die Frau ging zum Seil und wollte offensichtlich hinunterklettern.

    »Warum?«, fragte Isana halb erstickt. Sie sah die Wasserhexe an. »Du hast sie gerettet. Warum?«
    Odiana legte den Kopf schief und starrte auf Isanas Mund. »Warum? Tja, warum eigentlich?« Sie schüttelte den Kopf. »Du hättest mich auf Kordhof töten oder mich einfach zurücklassen können, doch das hast du nicht getan. Du hättest mich diesem Kursorenmädchen überstellen können. Hast du auch nicht gemacht. Das schrie nach einer Antwort, und hier ist sie.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Dir das Leben zu retten, wäre eine kleine Gunst gewesen, glaube ich. Das Leben derer zu retten, die von deinem Blut sind, ist etwas anderes. Du liebst diesen Jungen wie deinen eigenen Sohn. Du liebst ihn so sehr, dass es mir fast in den Augen wehtut. Und auch den Wehrhöfer. Sogar den Sklaven. Sie sind dir wichtig, also habe ich dir ihr Leben geschenkt. Damit sind wir quitt. Erwarte nichts weiter von mir.«
    Isana nickte. »Was ist mit dem Mädchen?«
    Odiana seufzte. »Ich hatte gehofft, sie würde sterben, aber sie wird es wohl überleben. Ich habe ihr weder geholfen noch ihr geschadet. Denk darüber, was du willst.«
    »Danke.«
    Die Wasserhexe zuckte mit den Schultern und murmelte in einem Ton, aus dem ehrliche Zuneigung sprach: »Ich hoffe, ich sehe dich nie wieder, Isana.«
    Und damit kletterte sie am Seil hinunter und schritt, nachdem sie unten angekommen war, rasch über den Hof nach Kaserna hinein, wobei sie sich wachsam umsah.
    Isana wandte der Söldnerin den Rücken zu, kniete sich neben Tavi und legte ihm die Hand auf die Stirn, um sanft Bächlein in ihn hineinzuschicken und seinen Zustand zu erkunden. Sie spürte seine Schmerzen, und gewiss brauchte es noch den Einsatz eines Heilers, um ihn wieder ganz gesund zu machen, aber die Wasserhexe hatte auf jeden Fall dafür gesorgt, dass er nicht sterben würde.

    Hinter ihr scharrten Schuhe über den Stein, und Faede kletterte am Seil herauf und starrte es anschließend böse an. »Tavi?«
    »Es geht ihm gut«, flüsterte Isana. »Er wird wieder ganz gesund.«
    Faede legte ihr die Hand auf die Schulter. »Tapferer Junge. Wie sein Vater.«
    Isana blickte Faede in die Augen und lächelte schwach.
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