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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie
Autoren: Jay Bonansinga
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Brustkorb presste – eins – zwei – drei – vier – fünf – und sich danach über sie beugte und wieder Luft in ihre Lungen blies.
    «Oh, mein Gott. Mein Gott!»
    Grove stand da, hielt sich an der Tür fest und merkte gar nicht, dass er etwas gesagt hatte. Fassungslos sah er ihre Verletzungen. Fünfundsiebzig Prozent ihres grauenhaft zugerichteten Körpers waren verbunden, und die Verbände waren fast überall blutdurchtränkt. Der Sanitäter gab nicht auf. Eins – zwei – drei – vier – fünf – eins – zwei – drei – vier – fünf. Grove wandte, überwältigt von Gefühlen, den Blick ab.
    Dann betete er.
    Grove betete zu einem obskuren Gott, einem Zwitterwesen aus afrikanischem Erbe und seiner privaten Kosmologie. Bis zu diesem Augenblick war sich Grove nicht einmal bewusst gewesen, dass ein solches Wesen in seiner Phantasie existierte. Doch jetzt war dieser Gott aus den düsteren Tiefen seines Unterbewusstseins aufgestiegen.
    Ein Husten schreckte Grove aus seinem Gebet, und er hob den Blick.
    Maura County bewegte sich. Sie lebte. Ihr Körper erzitterte, zuckte und krampfte, sie rang nach Luft – ein Nebel aus winzigen Blutstropfen besprühte die Uniform des Rettungssanitäters. Er gab ihr eine Spritze und tastete dann ihren Hals ab. Er nickte seinem Partner zu. «Hab sie wiedergeholt, Mann, hab sie tatsächlich zurückgeholt.»
    Grove stieß die Tür auf.
    «He!», rief der andere Rettungssanitäter, als Grove in den Wagen kletterte. «Wer zum Teufel sind Sie denn?»
    Grove bückte sich, drängte sich an dem Mann vorbei und hätte dabei fast den Infusionsständer umgeworfen.
    Er ließ sich auf die Knie fallen, legte die Arme um die Journalistin. Legte die Stirn auf ihre Schulter. Die Rettungssanitäter versuchten ihn wegzuzerren, aber er hielt Maura fest. Sie fühlte sich kalt an und roch nach Alkohol und Kupfer. Sie atmete gleichmäßig. Sie würde es schaffen.
    Grove sprach so leise, dass es fast nicht zu hören war: «Es tut mir so Leid, es tut mir so Leid, so Leid…»
    Schließlich schafften sie es, ihn von ihr zu lösen.
    Sie schoben und zerrten ihn unsanft aus dem Krankenwagen. Der große Mexikaner blieb bei Maura, während der andere – ein jüngerer Mann mit kurzer blonder Punkfrisur – versuchte, sich ein Bild davon zu machen, was es mit Grove auf sich hatte. «Sir, ich muss wissen, wer Sie sind», sagte er.
    «FBI», sagte Grove.
    «Ja, okay, und…»
    «Ulysses Grove, FBI, Profiler.» Die Tränen auf Groves Gesicht trockneten im eisigen Wind. «Bitte kümmern Sie sich um sie, bitte.»
    «Ähm…ja.»
    Grove trat zurück. Der Rettungssanitäter seufzte, zuckte die Achseln und ging zurück zum Krankenwagen. Grove dreht sich um und bewegte sich mit ein paar unsicheren Schritten vorwärts.
    Dann hielt er inne und blieb auf wackligen Beinen direkt vor dem schwelenden Lieferwagen stehen.
    Die verlöschenden Flammen verschwammen vor seinen tränenfeuchten Augen. Seine Kehle brannte. Die anderen Polizisten waren zu beschäftigt, um wahrzunehmen – oder sich gar darum zu scheren –, dass ein Fremder, der behauptete, vom FBI zu sein, am Tatort stand und hasserfüllt auf das brennende Fahrzeug starrte.
    Grove warf einen Blick auf die Ranger-Blockhütte in ungefähr zwanzig Meter Entfernung. Sie stand unter einem Baldachin aus Fichtenzweigen, in der Dunkelheit verborgen, und die letzten Flammen spiegelten sich in ihrem einzigen kleinen Fenster. Grove holte tief Luft. Die leere Hütte wartete. Der Berg wartete.
    Grove wusste, was er zu tun hatte.
     
     
    Die Rangerhütte war mit einem Yale-Zylinder-Bolzenschloss gesichert. Grove hatte während der FBI-Ausbildung in Quantico auch das Einbrecherhandwerk gelernt und es bis zum Experten gebracht. Wie viele andere Agenten auch, konnte er sich im Schlösserknacken durchaus mit versierten Einbrechern messen.
    Es dauerte keine fünf Sekunden, bis er das Schloss geöffnet hatte.
    Er suchte zwei Dinge in der dunklen und stickigen Enge der Hütte – und er fand sie beide. Als Erstes brauchte er eine Karte der Pfade und Wanderwege auf der Südseite des Mount Cairn. Die fand er in einem Lake-Clark-Parkführer unter dem Holztresen gegenüber der Eingangstür. Er riss die Seite mit der Karte heraus, faltete sie in der Mitte und schob sie in die Tasche.
    Ein Geräusch von draußen ließ ihn zusammenfahren. Eine der Sirenen hatte plötzlich aufgeheult. Der Krankenwagen fuhr davon. Nahm Maura mit.
    Gott sei Dank.
    Grove durchsuchte die Hütte nach dem
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