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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie
Autoren: Jay Bonansinga
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fühlte sich hart und starr an. In den Lederhandschuhen waren seine Hände wund vor Kälte. Er bewegte sie. Die Dokumente waren der Länge nach gefaltet und befanden sich in seiner Innentasche. In seinem Kopf herrschte ein Durcheinander von bruchstückhaften Eindrücken, die er in den richtigen Zusammenhang zu bringen versuchte. Er versuchte sich zu konzentrieren. Das Feuer ist für dich, mein Alter, also mach jetzt keinen Fehler. Du hast eine Chance, eine Gelegenheit, es hinzukriegen, also los!
    Das schaukelnde Flugzeug glitt seitlich voran. Auf einem der Schwimmer, über die das Wasser schwappte, hockte der Pilot und ruderte sie an Land. Ein heftiger Stoß war zu spüren, und dann hörte Grove die Stimme des Piloten. Irgendwas über einen Begleiter, auf den man warten müsse, und über den Chef des Außenbüros in Anchorage.
    Grove kletterte aus dem Flugzeug und betrat den verwitterten Anleger.
    Schwindel erfasste ihn. Er sträubte sich dagegen und hielt sich an einem Pfahl fest. Die Dunkelheit war undurchdringlich, der Himmel unendlich. Der kalte Wind setzte ihm zu, verbiss sich in seinem Gesicht. Er knöpfte seinen Mantel zu und stellte den Kragen auf. Die Ausbuchtung und das Gewicht des .357ers an seiner verletzten Hüfte beruhigten ihn.
    «Entschuldigung?! Sir?! Wohin wollen Sie?» Die Stimme des Piloten klang laut in Groves Ohren, während er über den Anleger ging. «Sir? SIR!»
    Grove überquerte bereits den Kies des angrenzenden Geländes. Er konnte den Feuerschein über den Baumwipfeln im Norden sehen. Vielleicht eine Viertelmeile entfernt. Sein Herz schlug heftiger.
    Der Pilot rief nochmal etwas hinter ihm her, aber Grove ignorierte die Warnungen und ging weiter.
    Er stieß an der nordwestlichen Ecke des Geländes auf eine Zufahrtsstraße und folgte ihr, wobei er sich von dem gelben Gleißen am Himmel leiten ließ.
     
     
    Einen Ort zu sehen, von dem man nur gelesen hat, kann irritierend sein. Es kann auch eine Offenbarung sein. Grove hatte die Tagesberichte der Ranger studiert, die Akten der Polizei, Detective Pinskys 24-Stunden-Report und die Dokumente aus dem Labor. Sie alle beschrieben den Ausgangspunkt des Pfads am Fuß des Mount Cairn – also den Ort, wo Ackerman zum ersten Mal mit den mumifizierten Resten des Eismannes aufgetaucht war – auf ähnliche Weise: eine landschaftlich schöne Kehre am Waldesrand mit einer urigen Blockhütte, die als Ranger-Station diente, und einem atemberaubenden Blick auf den schneebedeckten Gipfel, der im Norden aufragte.
    Was Grove jedoch in jener Nacht vorfand, als er am Ende der asphaltierten Zufahrtsstraße um die Ecke bog, hatte mit alledem nichts zu tun.
    Das zischende Metallgerippe eines ausgebrannten alten Lieferwagens stand dicht am Ausgangspunkt des Pfades, und aus seinen weit geöffneten Hecktüren quollen schwarze Rauchwolken. Mindestens ein halbes Dutzend Einsatzfahrzeuge mit blitzenden Warnlichtern standen auf der Lichtung. Die Luft stank nach schadstoffreichen Gasen und war durch die rotierenden Lichter purpurn ausgeleuchtet – ein hässlicher kleiner Vorgeschmack der Hölle. Grove sah hauptsächlich Parkpolizei, Staatspolizisten und Angehörige der lokalen Spurensicherung, die durcheinander rannten und sich gegenseitig anschrien. Vermutlich war das FBI noch nicht eingetroffen, und man hatte auch die Tragweite des Geschehens noch nicht erkannt. Grove war jedoch sicher, dass Geisel und seine Leute bereits auf dem Weg waren. Zog man in Betracht, welche Phase das Feuer erreicht hatte – langsam erlöschende Flammen und eine Nebelbank aus Rauch, die den Park bereits meilenweit durchwaberte –, mussten die FBI-Leute bald eintreffen.
    In diesem Augenblick bemerkte Grove den Krankenwagen auf der anderen Seite der Lichtung.
    Sein Herzschlag setzte aus. Das Innere des Wagens war beleuchtet. Zwei Sanitäter waren dabei, eine Person wiederzubeleben, die auf einer Bahre lag.
    «FBI!»
    Groves Stimme klang heiser, als er sich den Weg durch das Chaos bahnte und seinen abgelaufenen Ermittlerausweis jedem unter die Nase hielt, der Interesse daran zu haben schien. Seltsamerweise war niemand von Groves Anwesenheit überrascht.
    Die hintere Tür des Krankenwagens stand offen, und Grove spähte hinein. Er sah, dass einer der Rettungssanitäter – ein stämmiger Hispano in einer beschmutzten weißen Uniform – mit Maura County beschäftigt war. «Kommen Sie schon, kommen Sie schon, na, los, Lady, kommen Sie», spornte er sie an, während er rhythmisch auf ihren
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