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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe
Autoren: A.D. Miller
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weder dafür noch dagegen ausgesprochen hatte. Und als sie dann wieder auszog, weil sie Zeit zum Nachdenken brauchte und fand, ich sollte mir ebenfalls Gedanken machen, war ich zwar nicht gerade erleichtert, aber auch nicht am Boden zerstört. Noch ehe ich nach Moskau ging, hatten wir uns wieder aus den Augen verloren.
    Es hatte für mich ein paar Russinnen gegeben, die richtige Freundinnen zu werden schienen, doch hatte keine Beziehung länger als einen Sommer gedauert. Eine verzweifelte an mir, weil ich nicht hatte und wollte, was sie wollte und erwartete: ein Auto, den dazu passenden Chauffeur und einen dieser dämlichen kleinen Hunde, die man neuerdings durch die Designerläden in den Kopfsteinpflastergassen beim Kreml schleift. Dann war da eine, ich glaube sie hieß Dana, die nach der dritten Übernachtung bei mir begann, Kleinigkeiten im Kleiderschrank sowie im Schränkchen über dem Waschbecken im Badezimmer zu verstecken: einen Schal, eine leere Parfümflasche, Zettel, auf denen auf Russisch stand, dass sie mich liebte. Ich habe Steve Walsh danach gefragt (du erinnerst dich an Steve, den ewig lüsternen Auslandskorrespondenten? Du bist mal mitgekommen, als ich mich mit ihm in Soho traf und hast ihn nicht gemocht). Er sagte, sie markiere ihr Territorium, damit andere Frauen, die ich vielleicht mit nach Haus brachte, wussten, sie kamen zu spät. In jenem September damals musste man in Moskau genau aufpassen, mit wem man ausging – wegen Aids, aber auch, weil Ausländer, die in Clubs verkehrten, Frauen kennenlernten, den Drink auf dem Tisch stehenließen, wenn sie pinkeln gingen, um dann ohne Brieftasche auf der Rückbank eines Taxis aufzuwachen, das sie ihres Wissens nie bestellt hatten, oder mit dem Gesicht nach unten in einer Pfütze oder – auch das kam ein-, zweimal vor – die, war die Dosis falsch kalkuliert, überhaupt nicht mehr aufwachten.
    Ich habe für mich nie gefunden, was Leute wie mein Bruder hatten oder was meine Schwester zu haben glaubte, bis sie es nicht mehr hatte, das, worauf du und ich uns jetzt einlassen: der Vertrag, die Abmachung, auf immer und alle Zeit derselbe Körper – und dafür, im Austausch, der Beistand, die Kosenamen und nachts das Über-den-Kopf-Streicheln, wenn einem nach Weinen zumute ist. Ehrlich, ich habe immer geglaubt, ich wollte das nicht, niemals, dachte, ich könnte einer dieser Leute sein, die ohne glücklicher sind. Vielleicht haben meine Eltern mich davon abgebracht – zu jung angefangen, ein Kind nach dem anderen, ohne richtig drüber nachzudenken, und bald vergessen, was ihnen an dem Ganzen einmal gefallen hatte. Damals kam es mir vor, als säßen Mum und Dad bloß noch ihre Zeit ab, zwei alte Köter, eingesperrt im selben Zwinger, doch zu müde, um noch zu kämpfen. Zu Hause sahen sie ständig fern, damit sie nicht miteinander reden mussten. Ich bin mir sicher, die wenigen Male, die sie zum Essen ausgingen, waren sie eines dieser peinlichen Paare, die sich gegenseitig stumm etwas vorkauen.
    Als ich aber Mascha an jenem Tag im September kennenlernte, war ich irgendwie davon überzeugt, sie könnte es sein, jene ›Eine‹, nach der ich suchte. Allein, die wilde Hoffnung war wunderbar. Sicher, zwischen uns gab es etwas Körperliches, doch auch mehr als das. Vielleicht war es einfach der richtige Augenblick, denn ich meinte, gleich beim ersten Mal zu sehen, wie ihr Haar offen über einen Bademantel aus Frottee fiel, während sie Kaffee machte, wie sie im Flugzeug schlafend den Kopf an mich lehnte. Ich schätze, wäre ich sehr unverblümt, könnte ich sagen, ich hatte mich verliebt.
    Durch die offenen Fenster drang der Duft der Pappeln in die Küche, zusammen mit dem Lärm von Sirenen, dem Geräusch von zersplitterndem Glas. Etwas in mir wollte, dass sie meine Zukunft war, und etwas anderes in mir wollte, dass ich tat, was ich hätte tun sollen, und den Busfahrschein mit Maschas Telefonnummer aus dem Fenster in die rosige, vielversprechende Abendluft warf.

ZWEI
    I ch rief sie am nächsten Tag an. In Russland hält man nicht viel von telefonischer Zurückhaltung, vorgetäuschtem Warten oder sonst irgendwelchen Ablenkungsmanövern, von diesem ganzen Kriegsspiel der Beziehungsanbahnung, das wir beide in London durchexerziert haben – außerdem, fürchte ich, konnte ich gar nicht anders. Ich ließ mich zu ihrem Anrufbeantworter durchstellen und gab meine Handynummer sowie die Nummer im Büro an.
    Drei Wochen hörte ich nichts von ihr, und fast wäre es mir
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