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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung
Autoren: Jonathan Stroud
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Grau und Weiß.
    Bei der einundzwanzigsten Stufe tauchte die graue Steinmauer des Torhauses neben ihr auf; bei der vierundzwanzigsten Stufe hatte Emily die Holzbrücke erreicht, die von der Burgverwaltung über den Graben gebaut worden war. Die ausgeblichenen Holzbretter der Brücke waren von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Gleich rechts befand sich das Torhaus mit dem halb eingestürzten Torbogen und sie stellte sich schnell in den Windschutz seiner Mauern. Durch das dichte Schneetreiben war der Hauptbau der Burg nur noch als dunkler Schatten erkennbar.
    Simons Lippen waren von der Kälte ganz blau. »Komm mit«, sagte er. »Drinnen ist es besser als hier.«
    Er ging durch das Tor und duckte sich dann sofort nach rechts. Vier vereiste Steinstufen führten zu dem niedrigen Eingang in den Wachraum hinunter. Simon verschwand in der Dunkelheit und stieß sofort einen lauten Schrei aus.
    »Was ist los?« Emily war nur ein paar Schritte hinter ihm, ihr Herz pochte.
    »Nichts.« Simons Stimme klang angewidert. »Nur dieser Idiot. Hat mich erschreckt, das ist alles.«
    Emily kam nach, es dauerte ein paar Sekunden, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. »Marcus!«
    »Nett, euch hier zu sehen!«
    Marcus grinste ihnen fröhlich zu. Er stand in einer Ecke des Wachraums. Es war ein kleiner, feuchtklammer, verliesartiger Raum, der durch die niedrige Tür und die Schießscharte auf der gegenüberliegenden Seite nur spärlich erhellt wurde. An der Wand entlang war ein Gesims, auf das man sich setzen konnte. Der Boden war mit zerbrochenen Steinplatten bedeckt, darauf lagen Abfall und Dreck.
    Marcus rieb sich die Hände warm. Seine schlechte Laune war wie weggeblasen. »Wahnsinniger Schneesturm«, sagte er. »War das Schlittenfahren schön?«
    »Ja. Und die Burg? Alles abgesperrt?«
    »Wie ihr gesagt habt. Aber ich hab was entdeckt. Ich bin froh, dass wir uns noch mal getroffen haben... ich wollte -«
    »Jemand hat hier drin eine geraucht«, unterbrach ihn Simon.
    »Nicht nur das«, sagte Emily und rümpfte angeekelt die Nase. Dann durchzuckte sie ein Gedanke. »Glaubst du, dass hier ein Wärter ist?«
    Marcus lächelte. »Seit mehr als vierhundert Jahren nicht mehr.«
    »Ihr wisst, was ich meine. Es könnte einen Wachdienst geben.«
    »Nicht bei diesem Wetter«, sagte Simon. »Da ist er zu Hause.«
    »Aber es gibt jemanden?«, fragte Emily. »Einen Wärter?«
    »Es gibt Harris, den Hausmeister. Hast du bestimmt schon gesehn. So’n Stiernacken mit rotem Gesicht. Wohnt in dem Haus im Wald. Wir haben uns früher oft hinter den Bäumen versteckt und mit Sachen nach ihm geschmissen, wenn er im Garten war. Hat ihn total ausrasten lassen. Echt übles Arschloch.«
    »Ich würd wahrscheinlich auch ausrasten, wenn ihr Sachen nach mir schmeißen würdet«, sagte Marcus.
    »Waren nur Zapfen und Holzstücke und so’n Zeug. Aber einmal hat er Carl erwischt, wie er sich fortschleichen wollte. Wurde fuchsteufelswild. Hat ihn in seinen Garten zurückgezerrt. Ihr kennt doch diese langen Bambusstangen? Er hat eine rausgezogen, Carl über den Gartenzaun gelegt, mit dem Hintern nach oben, und ihm’ne riesige Tracht Prügel verpasst.«
    »Holla!« Emily war beeindruckt. » Das hat er mit Carl gemacht? Dann muss er Goliath sein.«
    »Ist schon viele Jahre her. Carl war da noch nicht so groß. Egal, unser Dad ist dann am Abend zu ihm hin und hat ihm heftig eins über die Rübe gegeben. Harris ist nicht zur Polizei oder so was und damit war die Sache erledigt. Trotzdem, widerlicher alter Sack.«
    »Hab keine große Lust, dass er uns hier findet«, sagte Emily.
    »Ach was, der sitzt jetzt vorm Kamin.«
    »Na, hoffentlich«, sagte Emily. Sie hockte sich auf das Gesims. Simon hockte sich neben sie.
    »Ich hab’s nicht eilig nach Hause«, sagte er düster. »Carl und Neil werden schon auf mich warten.« Er seufzte tief.
    »Was haben die eigentlich für ein Problem?«, fragte Emily.
    Simon antwortete nicht. Er stieß mit den Fersen immer wieder gegen die Wand. Marcus wirkte unbeteiligt; er war auf das Gesims gestiegen und spähte durch die Schießscharte nach draußen. Der Wind pfiff durch die Öffnung. Schneeflocken wurden hereingetrieben.
    Plötzlich stieß Simon einen Fluch aus. Dann sagte er: »Ich hab’s so satt. So satt, immer von allen herumgestoßen zu werden. Sogar von Pauline, obwohl sie nur ein Jahr älter ist. Und ein Mädchen .«
    »Na, super«, sagte Emily.
    »Du weißt, was ich meine. Aber ist auch egal.«
    Er versank
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