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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung
Autoren: Jonathan Stroud
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einen Augenblick stehen.
    »Geh schon weiter«, sagte Simon.
    »Gleich, nur eine Minute.« Wie gebannt stand Marcus da und blickte auf das Bild, das sich ihm bot.
    Der große, rechteckige Hauptbau der Burg mit seinen dicken Mauern ragte vor ihm auf. Er hatte die Höhe eines vierstöckigen Gebäudes. Die Fläche ringsum war mit Schnee bedeckt, hie und da waren noch Reste der einstigen Ringmauer zu sehen, Steinbrocken lagen herum, danach schloss sich, zu einem kleinen Wall erhöht, der innere Rand des Burggrabens an. Der Hauptbau hatte an allen vier Ecken einen Turm und war aus grauen Steinquadern errichtet. Die Mauern waren senkrecht und glatt, außer am Sockel, wo sie in einem steilen Winkel nach außen abfielen. In der unteren Hälfte gab es keine Öffnungen, von einigen Schießscharten abgesehen, doch weiter oben waren mehrere schmale Bogenfenster zu erkennen, durch kunstvolle Säulen voneinander getrennt; ein Stück darüber war das Mauerwerk nur noch Ruine.
    »Würdet ihr da nicht gerne rein?«, fragte Marcus.
    »Klar doch«, sagte Emily. »Nur dass alles abgesperrt ist.«
    »Haben wir dir ja schon gesagt«, fügte Simon hinzu.
    »Folgt mir.« Marcus steuerte über die Schneefläche auf die linke Ecke des Baus zu. »Wie sieht es da drinnen denn aus?«, fragte er.
    »Ooch, ganz okay«, sagte Emily. »Was für kleine Kinder. Wendeltreppen und schmale Gänge und so was.«
    »Gibt es ein Burgverlies?«
    »Ähmm... kann mich nicht mehr erinnern. Ist schon viele Jahre her.«
    »Und der Turm da? Kommt man da ganz hoch? Schaut noch ganz in Ordnung aus.«
    »Ich glaub schon. Versuch’s im Frühjahr mal – dann kannst du rein.«
    »Für drei Pfund fünfzig«, erinnerte ihn Simon. »Nimm deine Mutter und deinen Vater mit, damit sie’s dir bezahlen.«
    »Ich schaff das auch anders.«
    Sie bogen um die Ecke des linken Turms. Dahinter kam gleich ein steinerer Torbogen, der von zwei massigen Säulen abgestützt wurde. Das Tor hatte zwei Flügel aus zwei dicken Holzbohlen, die mit schwarzen Nägeln beschlagen waren. In dem linken Torflügel befand sich auf Brusthöhe ein großes Schlüsselloch. Marcus spähte hindurch, aber er konnte nichts erkennen.
    »Da sind Stufen«, sagte Emily. »Und drüber ist ein Gewölbe, darum ist es so dunkel.«
    Marcus warf sich gegen den Torflügel, aber der rührte sich keinen Millimeter. Dann trat er einen Schritt zurück und blickte nach oben. »Normannisch«, sagte er. »Kann man an dem Rundbogen erkennen. Muss ziemlich früh erbaut worden sein.«
    »War’s das?«, fragte Simon.
    »Nein. Kommt mit.« Marcus setzte seinen Weg an der Mauer entlang fort. »Wenn man einmal in der Burg drin war, konnte man es dort viele Monate aushalten. Man verrammelte das Tor und brachte dahinter noch ein Fallgitter an, damit keiner eindringen konnte. Dann konnte man sich ruhig zurücklehnen. Keiner durfte hoffen, jemals hinter diese Mauern zu gelangen.« Er legte den Kopf in den Nacken, um an der Masse von grauen Steinen vorbei in den weißen Himmel hochzuschauen.
    »Sie mussten gar nicht durch das Tor«, sagte Emily. »Sie brauchten dich bloß auszuhungern.«
    Marcus schüttelte den Kopf. »Du bringst Tonnen von Lebensmitteln in die Burg, bevor der Kampf anfängt. Es gibt dort riesige Lagerräume, tief unter der Erde, wo du dein Getreide, oder was auch immer du brauchst, aufbewahren kannst. Hübsch dunkel und kühl, damit nichts verdirbt. Und du hast dauernd Nachschub an frischem Wasser.«
    »Was, von einem Bach?«, fragte Simon.
    »Nein, von einem Brunnen in den Kellergewölben, der durch den Fels bis zum Grundwasser reicht. Er wird nie austrocknen. Noch um diese Ecke...«
    Sie umrundeten den zweiten Turm und eine neue Seitenmauer der Burg erstreckte sich vor ihnen. Als sie drei Viertel an ihr entlanggegangen waren, hielt Marcus an und zeigte nach oben. Emily und Simon blickten die Mauer hoch. Sie musste vor langer Zeit schwer beschossen worden sein und war niedriger als an den anderen Stellen. Ganz oben, wo früher einmal das Dach aufsetzte, waren aus dem Mauerwerk viele Steine herausgebrochen. Ein großer Spalt zog sich senkrecht durch die halbe Mauer. Er verlief im Zickzack durch mehrere eingefallene Fenster und endete ungefähr fünf Meter über dem Boden in einer runden Öffnung.
    »Seht ihr das Loch? Das ist nicht sehr hoch«, sagte Marcus. Er war ganz in Gedanken versunken.
    »Und deswegen hast du uns hergeschleppt?«, fragte Simon.
    »Schaut mal genauer hin«, fuhr Marcus fort. »Seht ihr die zwei
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