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Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten
Autoren: Carola Clasen
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Todesfalles verloren gegangen sein. Im Gegenteil. Vermutlich werden sie sich nun bei zwangsläufig eingeschränkter Sinneswahrnehmung verdoppeln oder gar verdreifachen. Wie das Gehör bei Blinden, die Augen bei Tauben. Sie probiert es aus und sendet Signale, heftige Signale an Konrad.
    Komm zu mir nach Hause, Konrad, komm nach Hause
.
    Sie friert. Sie würde sich so gern aus dem Schlafzimmer eine Decke holen. Ihr ist so kalt. Durch und durch, von den Fingerspitzen bis zu den Zehen ist sie ein Eiszapfen. Dabei ist doch Frühling. Das Küchenfenster ist auf Kipp, die Vögel zwitschern, aus den Autos dringt Musik.
    Auch ihr Kissen vom Bett hätte sie gern. Für den Kopf. Der Boden ist so hart. Morgen wird sie Migräne haben und nicht wissen, wohin mit ihren Schmerzen. Langsam meldet sich auch ihre kaputte Bandscheibe. Aber auf ihren Rücken hat Konrad noch nie Rücksicht genommen. Wenn er sie wenigstens auf die Seite oder auf den Bauch gedreht hätte.
    Sie muss eingeschlafen sein, denn als sie wach wird, ist es dunkel in der Küche. Die Uhr zeigt 20.35 Uhr, als sie Konrads Schlüssel im Schloss hört. Endlich! Er ist spät dran. Sie hört seine Stimme, er flüstert. Und eine zweite Stimme, die leise brummt. Noch eine Männerstimme. Er ist nicht allein? Das ist ja ganz etwas Neues. Seit wann hat Konrad wieder Freunde?
    Er hat ihr ganz zu Anfang ihrer Ehe ein oder zwei vorgestellt, aber schnell eingesehen, dass sie nichts für ihn waren und sie nie wieder eingeladen. Ihre Freundinnen dagegen kommen öfter. Konrad sagt, er mag sie, auch wenn er dann immer auf sein Zimmer geht. Sie mögen ihn auch, denn sie hat ihnen noch nicht in allen Einzelheiten erzählt, was für ein Schwachkopf er ist. Sie will sich nicht blamieren.
    Konrad macht Licht in der Diele. Es rumpelt. Sie kann das Geräusch nicht einordnen. Es hört sich an, als ob etwas hereingeschoben würde. Was könnte das sein? Die Küchentür wird aufgedrückt, die Deckenlampe direkt über ihr wird eingeschaltet. Aber sie kann nicht einmal die Augen vor dem grellen Licht schließen.
    »Das ist sie«, sagt Konrad, der als Erster eintritt. Sein unbekümmerter Ton wundert sie ein bisschen. Sein Gesicht, das sich nun über sie beugt, sieht auch nicht verquollen vom vielen Weinen aus. Er ist wirklich tapfer. Nur seine Kleidung ist so nachlässig, wie sie es erwartet hat. Ihr Blick spricht Bände.
    Sieh, was du ihr angetan hast, Konrad, sieh es dir an!
    Ein anderer Mann tritt zu ihr. Er trägt einen weißen Kittel und hat einen Notfall-Koffer in der Hand. Ein Notarzt! Das ist gut. Aber ein Mann, das ist nicht gut. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn eine Frau sie ausgezogen und untersucht hätte.
    Aber er sieht kompetent aus. Er wird feststellen, dass sie nur scheintot ist und ihr Gehirn noch funktioniert. Er wird sie wiederbeleben und dann kann Konrad sich warm anziehen. Das Einzige, was sie jetzt noch fürchtet, ist die Mund-zu-Mund-Beatmung.
    Aber der Mann denkt nicht daran sie zu untersuchen. »Die ist wirklich tot, Konrad«, sagt er stattdessen.
    Konrad sagt: »Ja, ich weiß.«
    Sie bekommt erst einen Heidenschreck, dann einen Wutanfall. Dieser Mann ist alles, nur kein Arzt. Und Konrad merkt es nicht einmal.
    Ein falscher Freund, Konrad, er ist ein falscher Freund
.
    Sie hat Konrad immer schon vor seinen Freunden gewarnt. Sie haben einen schlechten Einfluss auf ihn. Der Mann hat sich verkleidet, der Mann ist ein Versager, wie Konrad.
    Konrad lässt sie mit ihm in der Küche allein und kehrt kurz darauf mit einigen Kleidungsstücken zurück. Die Männer ziehen sie an, ohne ihr vorher den Schlafanzug ausgezogen zu haben. Die Garderobe, die Konrad zusammengesucht hat, kann in keiner Weise »harmonisch aufeinander abgestimmt« genannt werden, obwohl er weiß, dass sie darauf größten Wert legt. Er nutzt ihre Lage schamlos aus. Man wird sich im Krankenhaus Gedanken über sie machen. Aber später, wenn sie wieder gesund sein wird, kann sie alles erklären.
    Als sie wie ein Papagei in der Mauser aussieht, sagt der Mann: »Hol den Rollstuhl rein, Konrad.«
    Sie wollen sie also in ein Krankenhaus bringen. Gut. Und gut, dass Konrad gehorcht. Er ist seinem neuen Freund schon hörig, wusste sie es doch. Die beiden Männer heben sie hoch, nehmen Schwung, zählen dabei bis drei und hieven sie in den Rollstuhl. Konrad hat vergessen, die Bremsen anzuziehen. Sie fährt rückwärts gegen die Wand und schlägt sich den Kopf auf.
    »Mensch«, schimpft Konrads falscher Freund. »Pass doch
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