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Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten
Autoren: Carola Clasen
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auf!«
    Konrad entschuldigt sich, aber nicht bei ihr, an deren Hinterkopf sich vermutlich eine Platzwunde ausbreitet, sondern bei seinem falschen Freund. Sein Glück, dass sie keine Schmerzen spürt.
    Sie legen ihre Hände auf die Lehnen und sortieren ihre Beine und Füße. Sie binden alles fest, auch ihren Rumpf. Sie fahren eine Kopfstütze aus, an der sich ihr Kopf anlehnen kann, ohne wegzurollen. Zum Schluss ziehen sie die Kapuze ihres Sweatshirts so weit über ihr Gesicht, dass kein Schaulustiger es erkennen kann.
    Sie spürt, wie ihre Kräfte sie allmählich verlassen.
    Beeil dich, Konrad, beeil dich! Es geht hier um Sekunden
.
    Er scheint sie gehört zu haben – ihre telepathischen Kräfte funktionieren also doch noch – denn jetzt treibt er seinen Freund an. Es geht plötzlich ganz schnell. Aus der Wohnung in den Fahrstuhl, zwei Stockwerke hinab, vom Fahrstuhl nach draußen, in einen Transporter, Rollstuhl zusammengeklappt, Türe zu, alles einsteigen, Abflug.
    Alles wird gut.
    Aber dann fahren sie am Städtischen Krankenhaus vorbei!!! Sie sieht ganz deutlich das Gebäude an der Seitenscheibe vorbeiziehen. Sie kann es nicht fassen. Sie will schreien, winken, treten, toben ... nichts von alldem geht. Sie sendet wie der Teufel Signale von der Rückbank:
    Kehr gefälligst um, Konrad, kehr um!
    Bringen sie sie in ein Spezial-Krankenhaus in einer anderen Stadt? Bestimmt, beruhigt sie sich, sie ist ein Sonderfall. Es sieht so aus, denn sie verlassen die Stadt. Aber dann biegen sie von der großen Straße auf einen Seitenweg ab. Nach einer Weile halten sie an einem Waldrand, hinter dem sich ein steiler Abhang befindet.
    Sie zerren sie aus dem Auto und wickeln sie in eine schwere, grüne Plastikplane, die sie aus dem Kofferraum geholt haben. Und dann ist sie plötzlich nicht mehr nur unbeweglich, sondern auch blind. Sie wusste vorher nicht, wie schwarz Schwarz sein kann. Sie spürt, wie die Männer Spanngurte um sie legen und sie festzurren. Sie ist ein Paket.
    Sie schleifen sie ein Stück über den Weg und rollen sie dann den Abhang hinunter, ihre Reise endet an einem harten Widerstand. Sie hört, wie sie hinter ihr herlaufen, sie bewerfen sie mit irgendetwas. Nicht mit Steinen, mit Ästen und Erde und Grasbüscheln schätzt sie. Hundert Mal!
    Sie fürchtet, ihre Signale werden die Planen nicht durchdringen, aber sie sendet sie trotzdem, heftige Signale:
    Hör endlich auf, Konrad, hör auf!
    Konrad gehorcht und hält die Hand seines Freundes fest: »Hör auf! Das reicht. Niemand wird sie finden.«
    Ihre Schritte entfernen sich.
    Lass mich nicht hier liegen, Konrad, lass mich nicht hier! Ich bin doch deine Frau!
    Prompt bleibt Konrad stehen, dreht sich noch einmal um, sagt: »Ja, ich weiß« und lässt sie liegen. Autotüren schlagen zu, der Motor wird angeworfen. Sie hört Reifen auf dem Sandweg knirschen und die lange Stille, die auf das Verschwinden des Autos folgt.
    Eine Stille, die nicht aufhört.

Jenseits von Blankenheim
    Kennen Sie Blankenheim?
    Es liegt am südlichen Ende der A 1. Und danach gibt es vorläufig weit und breit keine Autobahn mehr, erst bei Daun oder Prüm wieder.
    Jenseits von Blankenheim liegt ein großer Teil der Eifel. Mit großen und kleinen Menschensiedlungen. Eine davon ist Oberpreth.
    Kennen Sie Oberpreth?
    Es liegt oberhalb von Unterpreth.
    Idyllisch ist Oberpreth. Tagsüber geht jeder seiner Beschäftigung nach, aber die Abende können sehr lang werden. Besonders im Winter.
    Und es war Winter, als sich folgende – verbürgte – Geschichte in Oberpreth zutrug, wo unter wenigen anderen auch Gerd und Anke Schmidtheim lebten.
    Sie waren Geschwister, nicht Witwer, sondern unverheiratet in die Jahre gekommen. Seit dem Tode ihrer Eltern waren sie ganz auf sich allein gestellt, denn ihr Hof lag obendrein abseits. Gerd half Anke im Hofladen mit den schweren Gemüsekisten, und Anke half Gerd bei seiner Krankheit.
    Gerd hatte es am Herzen. Dafür hatte er durchsichtige Tropfen. Digitalis, nannte Frau Dr. Sommer aus Blankenheim sie, und hatte Anke alles haarklein erklärt. Sollte Gerd einen Anfall bekommen, musste er innerhalb von zehn Sekunden zehn Tropfen Digitalis einnehmen. Das war einfach, das konnte sich Anke gut merken.
    Einen Anfall würde sie selbst beim Fernsehen nicht überhören können, denn er ging nicht gerade geräuschlos vonstatten. Erst blies Gerd die Backen auf, um dann die Luft langsam und stückchenweise mit einem schnappenden Gerassel wieder auszustoßen. In diesem Stadium
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