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Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten
Autoren: Carola Clasen
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sich entschuldigen. Er wird flehen und bereuen. Er wird an ihr rütteln und versuchen, sie zum Leben zu erwecken. Er wird sich auf sie werfen, heulen und schluchzen. Aber sie wird ihm nicht den Gefallen tun. Mit Gefallen aller Art ist es nun vorbei. Das hat er nun davon.
    Sie hat, um ehrlich zu sein, nicht mit Konrad als ihrem Mörder gerechnet. Eigentlich ist sie davon ausgegangen niemals ermordet zu werden, da sie ein unauffälliges Leben geführt hat und bis heute weder in Kontakt mit irgendwelchen zwielichtigen Gestalten noch in ein zweifelhaftes Milieu geraten ist.
    Wenn überhaupt, dann hätte sie sich aber einen leidenschaftlichen Südländer, mit feurigem Blick, wild wucherndem Schnurrbart und schwarzem Umhang auf schwarzem Pferd als Mörder gewünscht, der ihr aus Eifersucht oder unerwiderter Liebe sein Schwert ins Herz rammt, sich sofort danach dasselbe antut, nur um sich mit ihr im Jenseits auf ewig vereinen zu können. Das wäre schön gewesen!
    Träumen darf man ja mal. Träumen da nicht irgendwie alle Frauen von? Na ja, manche träumen auch vom weißen Prinzen auf weißem Pferd, der sie ins Märchenland entführt, je nach Konstitution.
    Wie auch immer, sie hatte jedenfalls mit Konrad vorlieb nehmen müssen. In guten wie in schlechten Zeiten. Wie im Leben so auch im Tode. Konrad Wollenweber. Diesem Konrad hat sie ein halbes Leben geopfert. Und er? Er beendet es völlig willkürlich. Wegen eines Mülleimers. Noch dazu an einem Tag, an dem sie wirklich Besseres zu tun hat.
    Sie hat noch nicht einmal gefrühstückt. Geduscht hat sie auch noch nicht. Sie trägt noch den Schlafanzug, ein ausgeleiertes, verfärbtes Teil, das eigentlich nur noch vor Konrads Augen Bestand hat. Ihre linke Socke hat ein Loch in der Ferse. In einer guten Stunde muss sie beim Friseur sein. Waschen, Schneiden, Färben und Legen. Ihre Haare sind ungewaschen, der dunkle Ansatz ist deutlich zu erkennen, der Schnitt herausgewachsen. Heißt es nicht, bei Toten wachsen die Haare immer weiter? Sie wünscht, sie könnte sich im Spiegel sehen. Ach nein, lieber doch nicht.
    Und heute Abend hat sie Stammtisch. Sie wollte ihren Freundinnen endlich ihr neues, blaues Leinen-Kostüm vorführen! Sie hat wochenlang danach gesucht, und Konrad hat einen Haufen Geld dafür hinlegen müssen – ganz umsonst, wie sich nun herausstellt. Das kommt davon, wenn man unüberlegte Dinge tut – wie einen Mord im Affekt. Wie sie ihn kennt, wird er versuchen, das Kostüm umzutauschen. Aber die Quittung wird er nicht finden, ha, die hat sie gut versteckt! Zwischen ihren Slips, da geht er nicht dran, so verklemmt, wie er ist. Das blaue Kostüm wird ein Symbol ihres gewaltsamen Endes sein, so wie der volle Mülleimer.
    Und das neue Sofa. Sie hat es schon vor Wochen bestellt, ohne Konrad etwas davon zu sagen. Es kommt morgen. Das Sofa kann er genauso wenig umtauschen, weil es eine Maßanfertigung ist. Er wird keine Freude daran haben, weil er Barock nicht ausstehen kann. Aber selbst wenn er seine getigerte Plüschdecke darauf legt, wird das Sofa ihn immer an seinen ersten Mord erinnern. Seine Schenkel und sein Hintern werden brennen wie Feuer bis zum Ende seines Lebens. 8.30 Uhr zeigt die Küchenuhr.
    Das Telefon hat die ganze Zeit noch nicht ein einziges Mal geklingelt. Das ist allerdings ungewöhnlich. Katja ruft jeden Morgen an. Es muss jeden Moment klingeln. Aber sie wird nicht drangehen. Hier, vom Küchenboden aus, wird sie mithören, was Katja auf den AB spricht. Antworten kann sie sowieso nicht. Sie ist gespannt, was Katja zu erzählen hat. Angeblich hatte sie gestern Abend ein Date. Sie kann sich nicht vorstellen, wer sich in die alte Schachtel noch verlieben soll.
    Zurück zu Konrad. Den Sommerurlaub, ja, den kann er noch stornieren, wenn er sich beeilt. Sie wollten wieder nach Mallorca. Konrad wollte eigentlich wie all die Jahre zuvor lieber in die Berge, aber das kam natürlich nicht infrage. Was soll sie auf der Alm? Nur über meine Leiche, hat sie immer gesagt. Sie will shoppen, am Strand liegen und flanieren. Sie will gesehen werden. Nicht nur von Kühen.
    Berge kann er ja jetzt haben, wo sie tot ist, jetzt, wo er allein ist. Viel Spaß, Konrad, hoffentlich wirst du glücklich dabei! Berg rauf, Berg runter, jeder Schritt eine Qual, vor lauter schlechtem Gewissen. Denn das wirst du haben, Konrad, dafür werde ich schon sorgen. Meine Signale werden dich erreichen.
    Zu Lebzeiten sagte man ihr telepathische Kräfte nach. Sie werden ihr nicht wegen eines
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