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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen
Autoren: Gillian Philip
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Zahlenspiele
    Sie fanden das fünfte Mädchen, direkt nachdem der Schnee geschmolzen war.
    Eine Weile lang hatte es keine Leiche gegeben und es hatte zuvor auch nie zwei Leichen an ein und demselben Ort gegeben. Bis dahin hatte er sie überall im Land zurückgelassen. Überall im Land und über die Jahre verteilt.
    Das fünfte Mädchen war gefangen unter dem Wasser, unter der Böschung, wo die Strömung schnell war und alles weggewaschen wurde, all die Spuren. Warum sie mit Sicherheit sagen konnten, dass es derselbe Mann war? Weil es dieselbe Gegend war wie damals beim vierten Mädchen und weil sie auch im Wasser lag.
    Das vierte Mädchen hatten sie im Meer gefunden. Nicht weit draußen. Sie stieß immer wieder sanft gegen die Felsen, taumelte in den Untiefen, das Haar voll grünem Zeug, wie eine Meerjungfrau. Ein Kind hätte vielleicht gedacht, sie sei eine Meerjungfrau mit ihrer blassgrünen Haut, die sich im wässrigen Sonnenlicht kräuselte, aber es war noch nicht Sommer, sodass es kein Kind war, das sie fand. Alle sagten, zumindest das sei ein Segen, und es hätte schlimmer kommen können. Der Hund, der dort stand und bellte und hin und her rannte, dem sich das Fell sträubte und der sich weigerte, seinen Stock zu holen – er gehörte wenigstens einer pensionierten Ärztin, die sicherlich ein bisschen vom Leben und auch vom Sterben gesehen hatte. Und das war ein Segen.
    Von Segen ließ sich nicht mehr sprechen, als sie feststellten, wer sie war, als sie sahen, dass ihre Meerjungfrau selbst noch ein Kind war oder beinahe noch ein Kind. Und später, eine ganze Weile später, sagten sie, sie sei ein Fehler. Als sie es alles klarer sahen, sagten sie, ihm sei ein großer Fehler unterlaufen mit dem vierten Mädchen: Es war doppelt tragisch, weil sie ein normales Mädchen war – sie war nicht wie die anderen, sie war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Und das schien ihn für eine Weile wieder zur Vernunft gebracht zu haben, denn lange Zeit tötete er niemanden mehr, jedenfalls nicht, soweit sie wussten.
    Schließlich schien er es jedoch nicht lassen zu können. Tatsächlich fragten sie sich, ob er es wieder hatte tun müssen, um seinen Fehler zu korrigieren, es diesmal richtig zu tun und mit der richtigen Person. Und ob es deswegen ein fünftes Mädchen in derselben Stadt gab.
    Weil er es beim fünften Mal richtig gemacht hat – das hörte ich eine Frau sagen, als ich letzte Woche hinter ihr im Bus saß. Er hat es richtig gemacht und ist wieder zu seinem Muster zurückgekehrt, und das fünfte Mädchen war wieder eine Prostituierte. Und damit alles richtig und genau so wie beim letzten Mal war, hat er auch sie ins Wasser gelegt.
    Nicht dasselbe Wasser, das stimmt; aber es ist eine gute Idee, ein Mädchen ins Wasser zu legen, wenn man keine Spuren hinterlassen will – das Gegenteil von Bernstein.
    Nicht dass das fünfte Mädchen nicht gut erhalten war, denn er ließ sie im Winterwasser zurück, bedeckt mit Raureif und Schnee. Die Spuren an ihrem Körper waren verschwunden, jene, die seinen Namen verrieten, aber sie hatte eine extra Haut aus Eis, die sie schützte. Die Oberfläche des Wassers war ein eisiger Sargdeckel, wie der, der Schneewittchen bedeckte, und sie sah perfekt aus, wie Schneewittchen, oder fast wie Schneewittchen.
    Nicht ganz und gar natürlich. Man kann nicht so perfekt aussehen, und niemandes Kuss brachte sie ins Leben zurück, aber sie sah so gut aus, wie es ihr nur möglich war. Ihr blondes Haar war voller Eis, und es glitzerte, als sie sie hinaus in die Sonne zogen. Und um ehrlich zu sein, der Mann, der sie fand, sah so blass und erschöpft und schockiert aus, dass sie fast besser aussah als er.

Sommer

Eins
    Â»Niemand hat ihn geschubst«, sagte Jinn. »Es ist allein seine Schuld. Dieser Armleuchter.«
    Selbst gemessen am Standard meiner großen Schwester, war diese Erklärung allzu einfach, aber ich sagte nichts.
    Mir war überhaupt nicht danach, viel zu sagen – egal, worum es ging. Der Alex-Jerrold-Vorfall hatte die Richtigkeit dieser Taktik nur bestätigt. Öffne den Mund – ich weiß, das ist kein schönes Bild – und du öffnest eine Dose mit Würmern. Halt den Mund, und die Wahrscheinlichkeit, dass du irgendeinen Wichser dazu bringst, sich von einem Dach zu stürzen, wird geringer.
    Aber die Sache mit Alex Jerrold
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