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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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den kritischen zweistelligen Bereich sinkt. Dann durchsuche ich die Stellenanzeigen, ich bin vielseitig begabt und flexibel, verfüge über hohe Teamfähigkeit und ausreichend Routine beim Durchqueren von Darmtunneln, gebe zwölfjährigen Rotznasen mit pädagogischer Inbrunst Englischnachhilfe oder sortiere in einer stinkenden Halle Müll. Mein Blut zirkuliert in den Adern von schätzungsweise 5.000 Personen, die haben etwa 10.000 Handgelenke, um die wenigstens 500 Uhren befestigt sind, auf denen „Rolex“ steht, aber ostasiatischer Schrott drin ist und die ich bisweilen auf Jahrmärkten und in den dunklen Ecken noch dunklerer Gastwirtschaften verticke. Bei Bedarf halte ich auch Vorträge über die Ethik der Moderne im Spiegel der Vergangenheit (wird selten nachgefragt) oder über die 99 Möglichkeiten, einen Orgasmus hinauszuzögern, wenn die Frau nebenbei noch dringend einen Schal zu Ende stricken muss. Bei Feinkost Dürringer in der Wagnerstraße lasse ich in Fällen akutesten Geldmangels gerne „12 Wachteleier in Lachsaspik“ diskret mitgehen, weil mein Freund, der Dichter Marxer, sich von deren Verzehr eine Steigerung seiner literarischen Potenz und mehr lyrische Adjektive erhofft. Das bringt einen schnellen Fünfziger, denn der reguläre Preis von 99,99 ist ihm zu hoch, so viel ist ihm der Nobelpreis nun doch nicht wert.
    Hermine werkelte in der Küche, Geschirr klapperte, Jonas nölte. Ich inspizierte für zwei Minuten meinen Lieblingsporno „Hengstparade“ (ohne Ton), wollte meine Mails abrufen, hatte aber das Passwort vergessen und wollte kein neues, denn wer sollte mir schon schreiben. Schade, dass Hermine schon den Chat mit Geilo1995 geschlossen hatte. Man hätte das Gespräch weiterführen und Geilo1995 an den Rand der Impotenz bringen können.
    Die Wohnungstür ging auf und zu, dazwischen lag ein „Dass ihr mir nicht bumst, wenn ich nicht da bin“ von Jonas und ein fröhliches „Hol endlich Kuchen, heut läuft nichts“ seiner Mutter. Ich fühlte mich gut. Kostenloses Internet, kostenlosen Kaffee, kostenlosen Kuchen, kein Sexzwang. Jonas würde an seinem Laptop zocken und mir den Anblick seiner juvenilen Existenz ersparen, Hermine mir wenigstens ihre Auslagen zeigen, ich selbst konnte einen Job finden und ein wenig über jene merkwürdige Im- und Exportfirma erfahren, bei der die Arbeitsleistung ihres Angestellten Georg Weber nicht vermisst wurde. Erst einmal bei Facebook schauen. Es gab dort zahllose Georg Webers und ich nahm mir vor, nur noch Personen mit dem Namen Al-Kheida Rosenstock zu suchen.
    „++++++promissvorschlag zu Stuttgart 21: Schienen oberirdisch, großzügige Toilettenanlagen unterirdisch. Geißlers Kompromissvorschl+++++++“
    Ich klickte den Ticker weg und setzte meine Recherchen fort.
     
     
    11
    Der Internetauftritt von Gebhardt und Lonig war jämmerlich. Auf der einzigen Seite, die sich drei Minuten lang ächzend lud, prangte die Fotografie des Firmengebäudes, ein langgestreckter Flachbau aus vorgefertigten Blechteilen, darunter Firmenname und –anschrift, sowie die Angabe, Frau Lydia Gebhardt übernehme als Geschäftsführerin alle Verantwortung für diese Seite, nicht aber für fremde Inhalte, von denen indes keine zu sehen waren. Ganz klein in der unteren linken Ecke: „Jobs! Wir haben immer Bedarf an Hilfskräften, nur mit Lohnsteuerkarte.“ Das gefiel mir gut. Zwei Fliegen mit einer Klappe, dachte ich und merkte mir die Adresse.
    Dann kam auch schon Jonas mit dem Kuchen zurück. Er hatte sich beeilt und keuchte, untersuchte sofort das Schlafzimmer nach verdächtigen Spuren soeben erledigter Sexualarbeit, fand keine und maulte enttäuscht, nichts sei uncooler als fremde Onkels, die keinen hoch kriegen. Es gab Sandkuchen von gestern, den mochte Jonas zum halben Preis erstanden und das ersparte Geld für aufregende Stunden in der Spielhalle zurückbehalten haben. Wir saßen am Tisch und wässerten den Sandkuchen, denn Hermines Kaffee ist wegen seiner sparsamen Verwendung von Kaffeepulver berüchtigt.
    Aus irgendeinem Grund dachte ich ein knappes Jahr zurück an die historische Begegnung an der Supermarktkasse. Was war wohl aus dem Rentner mit dem Baguette geworden? „Was hast du eigentlich dem Rentner mit dem Baguette gesagt? Du weißt schon.“
    „Bei mir stehen viele Rentner mit Baguettes an“, antwortete Hermine, „und ich sage allen das gleiche: Haben Sie es eigentlich nötig, mit einem überdimensionierten Penissymbol durch den Supermarkt zu
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