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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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meine Samstage sind meistens frigide, ich weiß auch nicht, woran das liegt.
    Jonas öffnete mir die Tür. Er steckte in zwei Säcken, einen nannte er Hose, denn anderen Sweater. „Hallo“ sagte Jonas und rückte seine Fensterglasbrille zurecht. „10% mehr geile Tussen für Brillenträger“ – ich hasse die BRAVO und wie sie Jugendliche manipuliert.
    „Sex oder Internet?“ fragte Jonas, als ich an ihm vorbei in die Wohnung schlüpfte, „Internet“ sagte ich knapp und innerlich feixend, denn das durfte Jonas nicht gefallen. Wenn Hermine und ich ins Bett gingen, ging Jonas in den nahen Spielsalon, wo man es mit dem Jugendschutz so genau nicht nahm, 20 Euro aus meinem Geldbeutel im Hosensack-Sack. Die Internetnutzung war kostenlos.
    „Ach so“, sagte Jonas und klang tatsächlich enttäuscht. „Aber wenn du dich nachher nicht beherrschen kannst, bescheiß mich bloß nicht um meinen Zwanziger.“
    Ich versprach es mit einem kurzen Nicken.
     
     
    9
    „Soll ich mir meine Haare abschneiden und einen Bubikopf machen lassen?“
    Hermines Frage traf mich unvermittelt und stürzte meinen Stoffwechsel in ein sofortiges Chaos. So musste es dem SPD-Vorsitzenden ergehen, wenn man ihn zu einem intimen Abendessen mit Oskar Lafontaine einlud. Hermine saß vor ihrem Computer, ein knisterndes Feuer aus roten Haaren verdeckte den Bildschirm, die Rechte lag auf der Maus und streichelte das beneidenswerte Tier. Ich stöhnte auf und hauchte „Mein Gott!“. „Göttin, bitte“, korrigierte Hermine und drehte sich zu mir um.
    „Du bist nicht Nordkorea und ich nicht Südkorea“, gab ich angesichts der Weltenlage zu bedenken, „also droh mir nicht.“ Und drohte meinerseits: „Wenn du dir die Haare abschneiden lässt, lasse ich mir was anderes abschneiden.“
    Hermine drückte ihre 1,62 an meine 1,84, ihre 55 Kilo an meine 90 - nein, korrigiere, meine 90 Kilo und 50 Gramm, Tendenz steigend.
    „Dann ernenne ich dich zu meinem offiziellen Dildobeauftragten und das Problem ist gelöst. Jedenfalls für mich“, stellte sie fest und gab mir einen Kuss auf den Hals.
    Wir redeten immer so. Hatten es schon getan, als ich zum ersten Mal meinen Vollkorntoast auf das Laufband an der Kasse legte, hinter der Hermine Waren einscannte, „57,83“ sagte und „Plastiktüte kostet 10 Cent extra.“ Den Toast kommentierte sie mit „Essen Sie immer so schlappes Zeug?“, und ich antwortete: „Wenn ich ihm richtig einheize, knistert er zwischen den Zähnen und ist gar nicht mehr so trocken.“
    Sie lachte und sagte: „Ich mags, wenn er gut gebuttert ist und das Zeug aus allen Poren quillt.“ Ich erinnere mich, dass hinter mir ein Rentner mit einem Baguette unterm Arm stand. Was Hermine ihm wohl sagen würde? Jedenfalls war mir klar, dass sie mich soeben zu Intimitäten eingeladen hatte, mich, einen völlig Fremden, sie, eine Zierde der Vierzigjährigen, und ich fragte, wann sie Feierabend habe. Sie antwortete „Um 6“ und fügte neckisch hinzu: „Mein Sohn geht gerne in den Spielsalon. Soll ich Ihnen einen 20-Euro-Schein in Ein-Euro-Münzen wechseln?“
    Der Rest ist Geschichte. Ich stand Punkt 6 vor dem Discounter, wir gingen zu ihr, 20 Ein-Euro-Stücke wechselten den Besitzer. Wir machten uns über den Vollkorntoast her. So lange, bis der Spielsalon Jonas gegen Mitternacht ausspuckte und aus dem Walfisch eine Forelle geworden war.
    Jetzt drückte sich Hermine noch immer an mich. Sie wartete. Ich schaute über ihre Schulter zum Bildschirm, Hermine chattete als „Wetlady_40“.
    Geilo1955: Du Luder
    Wetlady_40: Du Hengst
    Geilo1955: Uh ah!
    Wetlady_40: Keuch.
    Geilo1955: Ich komme
    Wetlady_40: Supi
    Geilo1955: Ja
    Wetlady: Schön
    Geilo1955: Moment ich muss mal pinkeln
    So war Hermine und ich liebte sie dafür. Jedenfalls wenn ich bei ihr war.
     
     
    10
    Hermine tippte „Danke für den erotischen Nachmittag“ ins Chatfenster und schloss es. „Und keine Pornos gucken!“ warnte sie mich, stand auf, „Kaffee kochen“. Ich versprach es ihr unter Hinweis auf meine aktuelle Lustlosigkeit.
    Das Internet ist nicht mein Ding. Wenn ich mich mit anderen langweilen möchte, gehe ich in die Kneipe. Steht mir der Sinn nach Unterhaltung, kann ich zwischen der rechten und der linken Wand meines Schlafzimmers wählen, zwischen der lautstarken Matratzengymnastik eines jungverheirateten Paares und den Dialogen eines altgedienten vor dem Fernseher. Nein, ich nutze das Internet nur beruflich, also notgedrungen, wenn der Umfang meiner Barschaft in

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