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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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ich.
    Was war zu tun? Warten. Georg Weber würde zurückkommen. Vielleicht um seine Sachen zu holen oder aus Erschöpfung oder ernüchtert oder nur, weil er sich daran erinnert hatte, einen Arbeitgeber zu haben. Der sich aber – und das war das Allermerkwürdigste – kaum für Weber zu interessieren schien. Sie hatten bei ihm angerufen, Weber hatte sich nicht gemeldet, und die Sache war erledigt. Andererseits: So konnte man einen unnützen Gehaltsempfänger auch loswerden. Dennoch: Der Gedanke, bei der Firma Gebhardt und Lonig anzusetzen – Sonja Weber hatte mir die Adresse in den Block diktiert -, schien mir die beste Idee, zumal ich damit bis Montag würde warten müssen, was mir sehr zupass kam. Gebhardt und Lonig residierten im Industriegebiet West und machten in „Im- und Export“. Eine Branche, bei der man sofort hellhörig wird, denn das klingt nach 123 Afghanen auf einem LKW versteckt oder LIDL-Computer für Libyen oder doch wenigstens von Halbwüchsigen mundgeblasene Pissbecher aus China.
    Buchhalter sei ihr Bruder, erzählte Sonja Weber noch, und für etwas anderes hätte ich ihn auch nicht gehalten. Ich habe nichts gegen Buchhalter, aber ich mag sie halt nicht. Warum? Keine Ahnung. Aber ich ahne, dass es genügend Gründe dafür gibt. Und ich hatte eben viele Krimis gelesen, wusste, dass Buchhalter über Einblicke verfügten, die sie vielleicht besser nicht hätten, dass sie Versuchungen ausgesetzt waren wie sonst nur ein Banker. Ein paar Klicks und die Million verschwindet auf dem anonymen Nummernkonto, solche Sachen eben.
    So fantasierte ich eine Zeitlang vor mich hin. Immer noch am Küchentisch, den ich nur verlassen hatte, um mir ein neues Päckchen Tabak zu holen, mein letztes. Ich würde also aus dem Haus müssen, ja, sowieso, essen musste ich auch. In meinem Geldbeutel befanden sich noch 50 Euro, auf meinem Konto erfahrungsgemäß noch weniger, und eigentlich hätte ich mir Gedanken machen sollen, wie ich die nächsten Wochen über die Runden käme, aber mir stand gerade nicht der Sinn danach, im Kreis zu fahren. Das überlasse ich Formel-1-Weltmeistern und kleinen Kindern auf dem Kettenkarussell.
     
     
    8
    Es half alles nichts. Ich musste zum Discounter einkaufen. Natürlich würde ich zu ALDI gehen, denn mit etwas Glück säße dort Hermine hinter der Kasse. Hermine war das, was man ein Verhältnis nennt, sie hatte mich quasi im Vorübergehen entdeckt. Eine Frau mit hervorragender Menschenkenntnis also, die kein Wikileaks gebraucht hätte um festzustellen, dass unser Außenminister „wenig Substanz“ besitzt.
    Sex, meine Damen und Herren, nichts weiter. Hermine wollte Sex, ich wollte Sex, das war handfester als jener „Liebe“ genannte Zustand, der unweigerlich mit dem Zusammenziehen endet. Was mir schon deshalb ein Gräuel war, weil Hermine einen 15jährigen Sohn namens Jonas hatte (gab es überhaupt 15jährige, die NICHT Jonas hießen?) und mich allein der Gedanke, man könnte mich für den Erzeuger jener Kreatur halten, zutiefst schockierte.
    Hermine hatte heute frei, wie mir ihre Kollegin, kaum war ich im ALDI, zuraunte. Das war schade, denn wer wies mich jetzt auf die versteckten Sonderangebote hin? Außerdem kam ich mit dem, was Intellektuelle „ein Anliegen“ nennen. Nein, ich war ausnahmsweise nicht notgeil. Doch ich besitze keinen Internetzugang, Hermine aber wohl, und ich hielt es für professionell, mich genauer über die Firma Gebhardt und Lonig, Im- und Export zu informieren. Also kaufte ich einen Stoffbeutel voller Waren einschließlich Tabak, stapfte den Weg zu meiner Wohnung zurück, betrachtete einen Moment lang die Stelle an der Wand, wo die Goldfolie mit dem schwarzen Prägedruck gehangen hatte, setzte mich, endlich daheim, einige Minuten still an den Küchentisch, rauchte und griff dann zum Telefon.
    „Bender.“
    „Ich bins.“
    „Ach so. Du.“
    „Ja.“
    „Greif dir in den Schritt.“
    „Hab ich.“
    „Und?“
    „Nichts.“
    „Ok. Also keinen Sex. Internet.“
    „Genau. Kann ich gleich vorbeikommen?“
    „Ja. Jonas ist da. Er wird enttäuscht sein.“
    „Hm. Ok. Bis dann.“
    „Ja bis dann. Ich lass schon mal den Rechner vorglühen.“
    Hermine wohnte etwas außerhalb. Ich sparte mir das Busgeld und ging zu Fuß. Trüber Nachmittag, es roch nach Badewasser und Bundesliga-Konferenzschaltung. Zwischendurch griff ich mir, wenn ich mich unbeobachtet fühlte, in den Schritt um zu prüfen, ob ich neben dem Internetzugang noch einen anderen wünschte, aber
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