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Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
Autoren: Kristina Lloyd
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zu ihm auf.
    «Aber Sir», heulte sie, «da steht doch gar keiner mehr.» Ihre Stimme verwandelte sich in heftige Schluchzer.
    «Da hat sie ganz recht, Charles», sagte Alicia seelenruhig und strich Kitty einige feuchte Haarsträhnen aus dem tränenüberströmten Gesicht.
    Charles blickte sein Frau finster an. «Und wessen Schuld ist das?», donnerte er.
    Alicia seufzte und legte tröstend einen Arm um Kittys Schultern. «Was geschehen ist, ist geschehen», sagte sie. «Jetzt geh und bring dich wieder in Ordnung, Kitty, und sag dann der Köchin Bescheid, dass wir nunmehr essen möchten. Und kau ein paar frische Minzblätter, das hilft.»
    Kitty knickste eilig und trollte sich, wobei sie Clarissas Blick auswich, als sie in der Nähe der Tür an ihr vorüberhuschte.
    «Clarissa, meine Liebe», sagte Alicia. «Ich befürchte, Lord Marldon ist aufgehalten worden. Er wird nicht vor dem Monatsende hier sein können.»
    Clarissa stand reglos da, während eine Woge der Verzweiflung über sie hereinbrach. Am Ende des Monats? Aber das war noch Wochen hin. Oje, das Warten würde kaum auszuhalten sein. Sie krallte die Fingernägel in die Innenflächen ihrer verschlungenen Hände, entschlossen, nicht zu weinen. «So?», sagte sie leise, während jedes weitere Wort ihr im Hals steckenblieb.
    Ihr Vater drehte sich ruckartig um und öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen. Aber es kam nichts heraus, und so starrte er sie einfach nur mit weitaufgerissenen, erstaunten Augen an. «Was, um alles …?», begann er.
    «Charles», mischte sich Alicia beschwichtigend ein, «bleib ganz ruhig. Sie ist jetzt eine Frau. Erinnerst du dich?»
    «Eine Frau?», bollerte er. «Verdammt nochmal, das sehe ich. Ich sehe ein unzüchtiges Weib, das seine Reize ausstellt wie in einem Schaufenster. Eine Frau? Ich will nicht, dass meine Tochter eine Frau ist. Ich möchte, dass sie sich, um Himmels willen, wie eine Lady benimmt. Begreifst du das?»
    Alicia legte beschwichtigend eine Hand auf seinen Arm, aber er schüttelte sie mit einem entrüsteten Schnauben ab. «Wir sind hier nicht auf dem Haymarket, mein Kind», schnauzte er Clarissa an. «Du bist hier im Hause deines Vaters. Sieh zu, dass du nach oben kommst und dir etwas Anständiges anziehst. Ich gedenke nicht, mit einem Flittchen zu Abend zu essen.»
    Clarissa stürzte davon, und die Tränen, die in ihren Augen standen, verschleierten ihren Blick. Ihr Vater schimpfte ihr hinterher. Ein loses Weibsbild sei sie, eine Närrin. Diese Kleider seien etwas für Männer, die keine Phantasie hätten, ob ihr das etwa nicht klar sei? Und Marldon, verdammt nochmal, hätte ja wohl Phantasie für eine ganze Horde von Männern.
    Nachdem Clarissa den Schutz ihres Zimmers erreicht hatte, warf sie die Tür zu und lehnte sich von innen dagegen, während sie immer noch heftig atmete.
    Oh, wie grausam und ungerecht ihr die verletzenden Bemerkungen ihres Vaters gerade jetzt erschienen. Wie konnte er ihr solche furchtbaren Sachen sagen, wenn sie sich doch ohnehin bereits so schrecklich fühlte? Am Ende des Monats? Die erste Woche des Juni hatte doch gerade erst begonnen. Sie trat mit der Ferse gegen das Holz der Tür.
    Sie hoffte darauf, dass Lord Alec, wann auch immer er beschließen würde, hier zu erscheinen, mehr Sinn für ihre modische Erscheinung aufbringen würde. Sie hatte Stunden damit verbracht, sich hübsch machen und aufrüschen zu lassen, und all das war völlig umsonst gewesen. Jetzt konnte sie das Kleid noch nicht mal mehr zum Abendessen tragen.
    Clarissa drehte den Schlüssel im Schloss, wischte eine Träne ab und holte mehrmals tief und gleichmäßig Luft. Wenn sie nicht anziehen durfte, was sie wollte, würde sie zum Abendessen gar nicht hinuntergehen. Es war ein wunderschönes Kleid. Das hatten sowohl Alicia als auch Pascale gesagt. Und die Farbe stand ihr ganz besonders gut, weil, wie Alicia sagte, ihre Augen wie Kornblumen und Veilchen um Mitternacht strahlten und die blaue Seide dieses Leuchten noch verstärken würde. Es war nicht im Mindesten geschmacklos, und nur die allerpuritanischsten Menschen würden es als unanständig bezeichnen. Abgesehen davon, trugen die meisten modebewussten Frauen ohnehin viel freizügigere Sachen. In der Regent Street flanierten sie in Kleidern, die so eng waren, dass darin kaum noch Platz für Unterwäsche zu sein schien.
    Sie ging zu dem Standspiegel herüber. Sie würde wieder so begehrenswert aussehen, sobald ihr Vater fort wäre. Sie würde dieses Kleid tragen und
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