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Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
Autoren: Kristina Lloyd
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leise Gasflammen in den Wandleuchten. Alicia Longleigh, in karamell- und goldfarbene Seide gehüllt, saß in einem üppig gepolsterten Lehnsessel. Sie hatte ihren Kopf über ein geöffnetes Buch gebeugt und lächelte gelassen. Vor dem marmornen Kamin stand Charles Longleigh, untersetzt und mit Schnurrbart, mit den Daumen in seinen Westentaschen. Gelegentlich wippte er vor auf seine Fußballen, zog seine Uhr heraus oder räusperte sich.
    Auf dem Kaminsims tickte die Uhr laut und ungeduldig. Das Küchenfenster war weit geöffnet. Die Ofenhitze und der Duft des Bratens drangen hinauf auf die von gelblichem Gaslicht erleuchtete Straße. Kitty und die Köchin saßen an dem riesengroßen Kiefernholztisch und hielten jede ein Glas mit Sherry in der Hand.
    Küchenmädchen durften keinen Sherry trinken, aber Kitty war ja nun kein Küchenmädchen mehr. Sie war ein Hausmädchen, und sie war das beste Hausmädchen, das es jemals gegeben hatte. Den ganzen Tag war sie auf den Beinen gewesen, hatte dies geholt und jenes geputzt, dort noch etwas blank poliert, und nicht ein einziges Mal hatte sie sich dabei beklagt. Sie hatte geholfen, die Gläser einzudecken, hatte den Schinken und die verschiedenen Gelees bereitgestellt. Und sie hatte Wunder dabei vollbracht, die Tafel mit Blumen und Leuchtern zu schmücken. Oben sah es jetzt phantastisch aus, und sie hatten sich, wie die Köchin meinte, einen Drink verdient.
    Der Sherry, vollmundig und süß, wärmte ihr Innerstes auf unvergleichliche Weise. Das erste Glas vor so schnell durch ihre Kehle geronnen, dass sie einfach um ein zweites bitten musste. Die Köchin hatte sie erst etwas zweifelnd angesehen, dann aber «Ach, was soll’s» gesagt und nochmal eingegossen. Kitty begann sich ganz wackelig und schwindlig zu fühlen.
    Die Köchin war jedoch nicht zum Reden aufgelegt. Sie zog ein mürrisches Gesicht, aber das scherte Kitty nicht. Sie genoss es, einfach nur dazusitzen und von ihrem Tom zu träumen, einem Knecht. Er hatte einen herrlichen Schwanz und vögelte wirklich gut. Und er war ein Künstler darin, immer wieder geheime Orte zu finden, wo sie ein bisschen herumpoussieren konnten. Kitty hing ihren Träumereien nach, bis sie plötzlich ihren Kopf drehte und ihr gedankenverlorener Blick auf die Suppenterrine fiel.
    «Warum ist denn die Suppe noch nicht hochgebracht worden?», fragte sie. «Sind die da oben noch gar nicht hungrig?»
    «Die ist noch nicht oben», sagte die Köchin und streckte sich trotzig, «weil Seine Lordschaft verdammt nochmal immer noch nicht angekommen ist. Hat noch nicht mal irgend ’ne Nachricht geschickt, von wegen dass er zu spät kommt. Diese reichen Leute ham einfach keine Manieren nicht. Kein Anstand und Benimm nicht.»
    «Oh», sagte Kitty und leerte dabei den Rest ihres Sherrys. Da war nur zu hoffen, dass nicht all das gute Fleisch austrocknete. Doch plötzlich gefror ihr das Blut, und es fuhr ihr durch Mark und Bein.
    «O Gott», stöhnte sie und wühlte in ihren Taschen. Sie kam hoch, bis sie auf wackeligen Beinen stand und zog den zerknitterten Brief heraus. «O Gott, steh mir bei.»
***
    Ein ohrenbetäubendes Schimpfen wurde laut. Clarissas Herz blieb fast stehen. Sie eilte an die Zimmertür und lief schnell die Treppe hinunter, nachdem sie ihre Röcke zusammengerafft hatte. Es war fast eine Stunde nach der Uhrzeit, zu der Lord Marldon eingeladen gewesen war, und seit Monaten hatte ihr Vater schon keinen solchen Lärm mehr gemacht. Irgendetwas musste ganz furchtbar schiefgelaufen sein.
    An der Salontür angelangt, erreichte sie ein warnender Blick von Alicia und veranlasste sie dazu, abrupt stehen zu bleiben. Ihr Vater hatte ihre Anwesenheit noch nicht bemerkt und blickte drohend auf Kitty hinab, das Gesicht rot vor Zorn.
    «Du vergesslicher Tölpel», wütete er und wedelte mit einem Stück Papier direkt vor der Nase des Mädchens herum. «Du schusselige kleine Vogelscheuche. Ich habe doch gewusst, dass du niemals zum Hausmädchen taugen würdest. Ich hab es verdammt nochmal gewusst.»
    Kitty schluchzte, die Augen zu Boden geschlagen.
    «Wo hast du deinen Verstand? In der Wäschekommode vergessen?», schimpfte Charles weiter. «Weißt du etwa nicht, wozu Briefe da sind? Sie sollen gelesen werden! Sie gehören auf den Tisch in der Eingangshalle, wo ich sie finden kann. Verstehst du das nicht? Kannst du das nicht begreifen? Auf den Tisch in der Eingangshalle.»
    Kitty wischte mit dem Unterarm über ihre Nase und blickte mit zitternder Unterlippe
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