Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
Autoren: Kristina Lloyd
Vom Netzwerk:
zurecht und legte sich den Samtumhang über den Arm. Einen Augenblick lang hatte sie gemeint, er sei eifersüchtig, aber dann erinnerte sie sich daran, dass es sich ja immerhin um Lord Julian handelte. Bei ihm kam es niemals vor, dass er etwas anderes war als höchstens ein kleines bisschen verwundert.
    «Nichts von aktuellem Interesse», sagte sie. «Ich befürchte, er ist inzwischen verheiratet. So wie du, lieber Julian. Aber anders als du ist er ein ermüdend treuer Ehemann.»
    «Ich verstehe. Das erklärt dann auch den frostigen Blick, den dir seine Begleiterin zugeworfen hat.»
    «Hat sie das? Oje, ich glaube, ich sollte sie beruhigen. ‹Er ist Euch ehrlich und wirklich zugetan, Frau Ehegattin›, sollte ich ihr sagen. ‹Weil er nämlich zum letzten Mal am Vorabend Eurer Hochzeit mit mir im Bett war. Und danach war nichts mehr!›»
    «Nein, wirklich?», rief Julian mit gespieltem Entsetzen aus. «Noch nicht mal ein verstohlener Kuss? Das kann ich kaum glauben.»
    «Na gut, vielleicht eine kurze Verabschiedung zwischen der Hochzeitszeremonie und dem Aufbruch in die Flitterwochen. Aber das hatte nichts zu bedeuten.»
    «Das würde sie wirklich sehr beruhigen, da bin ich sehr sicher. Ein Ehemann, der in der Lage ist, dem Charme einer Mrs. Singleton zu widerstehen, zeigt in der Tat wahre Treue.»
    «Genau! Und ist Mrs. Singleton nicht auch heute Abend wieder unwiderstehlich?» Lucy wusste, dass sie es war. Mit dem Wasserfall blonder Löckchen, der aus ihrer blumengeschmückten Hochfrisur rieselte, und gekleidet in ihr neues veilchenfarbenes Taftkleid, hatte sie heute schon viele bewundernde Blicke geerntet. Und ihr zauberhaft tiefer Ausschnitt war Julian keineswegs unbemerkt geblieben.
    In der Abgeschiedenheit ihrer Loge hatte er den größten Teil des dritten Akts damit verbracht, Küsse auf ihre nackten Schultern und ihren Hals zu drücken. Im vierten Akt hatten sich seine Hände bis zum Beginn der Schenkel unter ihre Röcke verirrt, und als der fünfte Akt begann, waren seine Finger bereits aufs köstlichste im Schritt ihrer seidenen Unterhosen zugange gewesen. Sie hoffte, dass zu dieser Zeit keine Operngläser forschend auf ihr Gesicht gerichtet gewesen waren.
    «Absolut unwiderstehlich», stimmte Lord Julian zu, blieb stehen und wandte sich ihr zu, um sie anzusehen. Unter dem hellen Licht einer Straßenlaterne blickte er auf sie hinunter, die leuchtend blauen Augen starr vor Verlangen, und zog ihre Hand an seine Lippen.
    «Dann bekomme ich jetzt mein cadeau , das du mir von deiner unzüchtigen Spritztour mitgebracht hast?», fragte Lucy. «Ich befürchte, die Neugier wird mich sonst beizeiten umbringen. Kannst du mir nicht wenigstens einen kleinen Hinweis geben?»
    «Nun gut. Ich habe es hier bei mir.»
    «Herrje! Möchtest du, dass ich dich durchsuche?», keuchte sie und ließ eine Hand auf der Vorderseite seines Capes hinabgleiten. «Mitten auf der Straße? Das wäre aber sehr unanständig von mir.» Ein vorbeikommender Betrunkener rempelte sie an, und sie ergriff diese Gelegenheit beim Schopf, sich an Julians starken, gutgebauten Körper zu drücken. Sie schmiegte sich an ihn und sah mit leuchtenden grünen Augen zu ihm auf.
    «Anstand war noch nie deine starke Seite», sagte er und bot ihr seinen Arm an.
    «Gib mir noch einen Hinweis, bitte.»
    Sie bummelten weiter über den Haymarket. Durch die Fenster der Kneipen, Kaffeehäuser und Austernbars sahen sie den Glanz üppiger Leuchter, zurückgeworfen von Rokokospiegeln. Nachtschwärmer strömten aus den verräucherten Lokalen hinaus auf die Straße, und über das Krakeelen hinweg priesen Straßenhändler und Blumenverkäufer lautstark ihre Waren an. Lord Julian und Lucy gingen noch dichter nebeneinander her und bahnten sich ihren Weg durch die lärmende Menge.
    «Es ist lang und stark», sagte er nach kurzem Nachdenken.
    «Pah!», schnaubte sie. «Das hatten wir doch schon mal.»
    «Es hat die Fähigkeit, dich in wahres Entzücken zu versetzen.»
    «Was, du hast mir nichts anderes als deinen Schwanz mitgebracht? Das sollte mich nicht wundern, und zwar eingetaucht in sämtliche Düfte Frankreichs.»
    «Au contraire, ma chérie.» Er beugte sich zu ihr hinüber, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. «Mein Schwanz mag nur allerliebste englische Honigtöpfchen.»
    «Ach, du charmanter Lügner», lächelte sie. «Was hast du dann für mich?»
    «Was ich dir mitgebracht habe, ist etwas so Köstliches, dass du noch ein bisschen darauf warten musst.»
    Lucy
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher