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Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
Autoren: Kristina Lloyd
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empfänglicher für Marldons Ansinnen zu machen. Und rate mal, wer für diese Aufgabe auserkoren wurde, sie, na, sagen wir mal, ein wenig in das einzuführen, was sie zu erwarten hat?»
    Julian lachte und schüttelte den Kopf. «Das sollst nicht du machen, oder? Warum denn, um alles in der Welt? Marldon wird das Mädchen doch ganz bestimmt nicht zurückweisen, oder? Er braucht das Geld. Ich würde meinen, er nimmt sie sogar, wenn sie die Pocken hätte oder hässlich wäre wie eine Hafenhure.»
    «Nun, das ist sie unglücklicherweise absolut nicht», antwortete Lucy und hakte sich bei Julian ein. «Also hat sie noch nicht einmal die Chance, von vornherein abgewiesen oder später in die Besenkammer gesperrt zu werden. Nein, offenbar – und das ist schade – ist das arme Mädchen zu einer echten Schönheit herangewachsen. Und Alicia, die gute Alicia, hofft, Clarissas Leiden ein bisschen zu verringern, indem sie versucht, ihr allzu traumatische Erlebnisse im Ehebett zu ersparen.»
    «Wie unglaublich gütig», meinte Julian lächelnd. «Also, du kleines verruchtes Weib, was ist dein Plan?»
    «Oh», sagte Lucy geheimnistuerisch, «zuerst musst du mir dein cadeau zeigen. Dann könnte ich mich vielleicht entschließen, dir zu erzählen, was mein Plan ist.»
    «Ich werde umgehend eine Droschke rufen», antwortete er und schnipste mit den Fingern in die Luft.

    Im Chester Square hielt die Kutsche an. Zu Lucys Erleichterung wirkten die stuckverzierten Eingangsportale verschlafen, und die ganze Straße lag ruhig da. Trotzdem hielt sie ihren Kopf gesenkt, als Julian dem Kutscher seinen Lohn nach oben auf den Bock reichte.
    Belgravia konnte ein so klatschsüchtiges Pflaster sein, und ihr Ruf brauchte nun wahrhaftig keine skandalösen Schnörkel mehr. Dass sie ihr Trauerjahr nicht eingehalten hatte, war bereits Gesprächsstoff bei vielen nachmittäglichen Teegesellschaften gewesen. Aber Lucy wusste, dass der gute alte Robert es nicht anders gewollt hätte. Schwarz stand ihr, wie sie zugeben musste, nicht besonders gut, zumindest nicht von Kopf bis Fuß. Weit besser wäre es, dachte sie, wenn sie sich jenen Vergnügungen widmen würde, in die Robert sie eingeführt hatte. Das sei doch ein sehr viel ehrlicheres und persönlicheres Angedenken.
    Lucy schloss die Tür auf und war erleichtert, das Haus in schläfrigem Halbdunkel vorzufinden. Die Dienstboten hatten schon seit langem begriffen, wann es galt, diskret zu sein, und wann sie es wünschte, dass man sich um sie kümmerte. Niemand war erschienen, um ihnen die Mäntel abzunehmen, und nichts anderes als eine Petroleumlampe erwartete ihre Rückkehr. Lucy griff nach deren schwerem vergoldetem Fuß und stieg leise die zwei Treppen nach oben, indem sie sich von dem flackernden Schein den Weg durch die Dunkelheit zeigen ließ.
    Im Schlafzimmer warf das Licht Schatten an die Wände, und Julians langgestreckte Silhouette ragte hinauf bis an die hohe, geschwungene Decke. Auf jeder Seite des Spiegels über dem Kamin brannten Gaslampen aus halbkugelförmigem Milchglas, tauchten den Raum in honigfarbenes Licht und vergoldeten den Anblick des Messingbettes. Clarissa stellte den Leuchter auf einen Beistelltisch und drehte den Docht herunter.
    Ach, wie einladend das Bett aussah, dachte sie. Aber sie wusste, dass sie zu warten haben würde. Wenn Julian ein Geschenk für sie hatte, dann konnte sie wohl kaum erwarten, Forderungen stellen zu können.
    «Also?», sagte sie, während sie ihren Mantel über das Sofa warf. «Darf ich jetzt wohl mein Mitbringsel haben?»
    Julian, der gerade seine Biberfellmütze abnahm, schien sie gar nicht zu hören. Das Schweigen breitete sich weiter aus, als er sich, ganz ohne Eile, seine Handschuhe auszog, seine Fliege abnahm und schließlich auch den hohen, gestärkten Kragen seines Hemdes.
    «Rege meine lüsterne Phantasie an», sagte er und setzte sich auf einen samtbespannten Sessel. Langsam schlug er ein Bein über das andere und legte seinen Spazierstock quer über seinen Schoß. «Erzähle mir in schillernden Farben und Einzelheiten, auf welche Weise du vorhast, deine unschuldige Kusine zu schulen.» Er fuhr mit einem Finger über seinen feinen, wie mit dem Bleistift gezogenen Schnurrbart und erwartete gelassen ihre Antwort.
    Lucy stand am Ankleidetisch und verzog ihre Lippen zu einem herausfordernden Lächeln. Sie wusste, Julians geringschätziges Benehmen war das Vorspiel zu einer Inszenierung, in der sie niemals das Richtige tun könnte. Er würde in
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