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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest
Autoren: Sunil Mann
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Samstag
    »Ey, Arkadasch! «
    Die Tür wurde derart heftig aufgerissen, dass die Gäste in der gut besuchten IQ Bar erschrocken herumfuhren und das Gemurmel, das den Raum summend wie ein friedlicher Bienenschwarm erfüllt hatte, auf der Stelle verstummte. Ein paar empörte Atemzüge lang war nur noch das monotone Rauschen der Geschirrspülmaschine hinter dem Tresen und Santanas selbstverliebtes Gitarrenspiel aus den Lautsprechern zu hören.
    » Arkadasch! Kumpel! Gott sei Dank!«, keuchte der schlaksige junge Mann erneut, während er ohne sich umzublicken zur Bar stürzte.
    »Da bist du ja!«, empfing ihn sein Kollege überrascht. »Was geht?« Ein hastiger Schlag auf die Schulter, ein flüchtiges Grinsen, und nach einem komplizierten Begrüßungsritual, bei dem sich in rasend schneller Abfolge Knöchel, geballte Fäuste und Finger berührten, ergriffen sich auf Kinnhöhe zwei Hände mit betont männlichem Druck, eine angedeutete Umarmung, dann schwang sich der Ankömmling neben seinem Freund auf den Hocker. Das allgemeine Gemurmel setzte wieder ein.
    Der Junge war völlig außer Atem. Er musste gerannt sein, sein Brustkorb hob und senkte sich heftig, Schweißtropfen perlten an seinen Schläfen.
    Türken, dachte ich und wandte mich wieder Miranda zu, die gerade drei Finger in die Luft streckte und mit dem herrischen Ton, den ihre Stimme immer bekam, wenn sie auf der Schnellstraße zu einem Damenräuschchen war, bei der amüsiert dreinblickenden Bedienung noch eine Runde bestellte.
    »Drei Prosecco?« Die Flasche mit dem italienischen Sprudel bereits in der Hand, deutete die burschikos wirkende junge Frau mit den kurzen roten Haaren auf unsere leeren Gläser.
    »Das Konzept hat sich bewährt!«, rief Miranda und lachte ihr raues, tiefes Lachen.
    Die Rothaarige lächelte und füllte die Kelche.
    »Auf uns!«
    Miranda, José und ich stießen miteinander an und grinsten. Es war einer dieser Abende, die länger dauern würden. Wir taten so, als ahnten wir es nicht, doch insgeheim wussten wir es alle, dazu kannten wir uns zu gut.
    Bevor wir in der IQ Bar gelandet waren, hatten wir uns im nahe gelegenen abaton einen Film angesehen. In dem weitläufigen Kinokomplex nach amerikanischem Vorbild wurde einem schon im Foyer vom butterigen Popcorngeruch übel und später konnte man wegen der Knirsch-, Schmatz- und Raspelgeräusche der mahlenden Kiefer und knisternden Chipstüten kaum verstehen, was auf der Leinwand gesprochen wurde. Andererseits wurden dort hauptsächlich Filme für ein Publikum gezeigt, das Dialoge als eher hinderlich für die Handlung empfand. Ich jedenfalls konnte mich nur noch vage an den eben gesehenen Streifen erinnern. Es war eine dieser unzähligen Comic- oder Computerspieladaptionen gewesen, die zurzeit von einem bedenklich einfallslosen Hollywood wie Backmischungen mit sogenannten Charakterdarstellern angerührt wurden, die allesamt an Karriereknicken oder Schwerwiegenderem litten. In Kostümen, die sie nach ihrem Oscargewinn nicht einmal betrunken zu Halloween angezogen hätten, staksten, flogen oder hüpften sie durch ein Sperrfeuer von Spezialeffekten, das mit dreidimensionalen Bildern verzweifelt eine eindimensionale Geschichte zu überdecken versuchte.
    Miranda, die in letzter Zeit oft gereizt oder ungewohnt melancholisch drauf war, hatte auf diesem Film bestanden, da sie weder dem verkorksten Liebesleben mittelalterlicher Päpstinnen noch den mit pathetischen Nachrufen gespickten Konzertproben verstorbener Popstars etwas abgewinnen konnte. Ihrer guten Laune zuliebe hatten wir uns gefügt.
    Ohne abzusetzen leerte Miranda nun das Glas bis zur Hälfte. Ihre schier endlosen Beine übereinandergeschlagen und eine goldfunkelnde Handtasche neben sich auf dem Tresen, saß sie zwischen José und mir, wie immer in etwas Extravagantes gehüllt: ein satinblau schimmerndes Abendkleid mit gewagtem Ausschnitt und breiten Schulterpolstern, dazu ein keckes eierschalenfarbenes Hütchen, dessen Schleier ihr halbes Gesicht bedeckte, auf der sichtbaren Hälfte glitzerte dramatisches Make-up. Miranda sah aus, als käme sie von einem Casting für den Denver Clan.
    Während sie mit der Barfrau scherzte, beobachtete ich unauffällig meinen besten Freund José, der abwesend an seinem Glas nippte und den Blick durch die Bar schweifen ließ. Gedämpftes, gelbliches Licht erzeugte mit dem dunklen Holz, aus dem Tische und Bar gefertigt waren, ein italienisches Ambiente. Man wäre nicht erstaunt gewesen, hätte plötzlich Al
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