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Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge
Autoren: Regina Reitz
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alle Ameisen verschwunden sind, wird eine
von ihnen auserkoren. Ihre Aufgabe ist es, den Eingang von außen
mit Sandkörnern zu verschließen, so dass weder Fressfeinde
noch Kälte in den Bau eindringen können. Diese kleine
Ameise wird sterben, aber sie ist auch ein Held, denn sie opfert sich
für ihr Volk und am nächsten Abend fällt das Los auf
eine andere Ameise. Auf diese Weise gelingt es der Art, zu
überleben.“
    „ Wir sind aber keine
Ameisen!“, brüllte Franziska. „Wir sind Menschen und
keine Insekten.“
    „ Was es nicht unbedingt
besser macht!“, fauchte Esther. Warum begriff sie denn nicht
endlich? „Tatsächlich habe ich vor der Arbeit dieser
kleinen Insekten mehr Respekt, als vor dem, was die meisten Menschen
in ihrem Leben vollbringen.“
    Franziska würgte. Die
Selbstgefälligkeit dieser Frau ekelte sie an. „Du musst
nicht gutheißen, wie manche Menschen ihr Leben führen,
aber trotzdem hat jeder Einzelne von ihnen das Recht auf ein
würdevolles Leben und auf körperliche und geistige
Unversehrtheit. Das kannst du ihnen nicht absprechen und ganz
besonders tust du diesen Kindern Unrecht.“
    „ Ach, so ein Unsinn! Das
ist doch dummes Geschwätz, das davon ablenkt, dass die
Leistungsstarken unserer Gesellschaft die Faulen ertragen und
durchbringen müssen. Dagegen sage ich noch nicht einmal etwas,
aber die Versager müssen dann auch ihren Beitrag leisten, wenn
es darauf ankommt und zwar in dem Maß, in dem wir es ihnen
zuweisen.“
    „ Diese Kinder sind keine
Versager!“, schrie Franziska verzweifelt.
    „ Aber ihre Mütter
waren es und deren Nachkommen werden auch nichts aus ihrem Leben
machen“, antwortete Esther kalt.
    „ Nein, die Mütter
dieser Kinder sind keine Versager. Diese Frauen sind mutig, sie sind
Kämpferinnen. Sie haben sich auf eine gefährliche Reise
begeben und schlimme Gefahren auf sich genommen, um ihren Kindern
eine würdevolle Zukunft zu ermöglichen und dann kommt
jemand wie du daher und stiehlst ihnen ihre letzte Hoffnung.“
    „ Ach Franziska, du bist
einfach zu pathetisch. Das Leben kennt nun einmal Gewinner und
Verlierer.“
    „ Und du bist diejenige, die
entscheidet, wer gewinnt und wer verliert? Das ist doch kein Spiel!“
    „ Du erinnerst mich ein
bisschen an Roman. Ich habe nie verstanden, warum mein Vater damals
diese Frau geheiratet hat und er mit ihr meinen Halbbruder zeugen
musste. Roman macht sich ja schon in die Hosen, weil er aus den
Kölner Kliniken abgelaufene Medikamente einsammelt und mit
gefälschten Papieren nach Ostafrika verbringen lässt. Das
könnte seiner Reputation schaden, wenn das herauskommt, heult er
jedes Mal. Das Risiko ist nun wirklich nicht sehr groß. Aber er
war immer schon ein Feigling. Wenn er von den Versuchen wüsste,
würde er durchdrehen. Er hat ja schon Panik bekommen, als Jan
Siebers zu ihm auf Gegenkurs gegangen ist. Absetzen wollte er ihn,
seines Amtes entheben, dabei hat Roman gar nicht verstanden, worum es
Jan tatsächlich ging. Wegen Menschen wie Jan muss ich die Kinder
nach Deutschland holen. Im Lager könnte ich die Versuche nicht
durchführen. Das geht nur mit den Versuchsreihen, die weniger
medizinisches Gerät benötigen und deshalb nicht so
offensichtlich sind. Schade, ich dachte, Jan hätte mehr Biss,
doch ich habe mich in ihm getäuscht. Aber solche Leute weiß
ich zu beseitigen.“
    Franziska Gedanken rasten. Sie
verstand nur die Hälfte von dem, was Esther so leidenschaftlich
von sich gab. Sie kannte keinen Jan Siebers, aber sie wusste, dass
das Wissen um die Experimente für sie eine tödliche Gefahr
darstellte. Trotzdem brannte eine Frage in ihr. „Warum
ausgerechnet Kinder?“
    „ Das liegt auf der Hand.
Seit Jahren untersuche ich die Krankheit Neuronale Ceroid
Lipofuszinose. Eine Stoffwechselkrankheit. Vielleicht wirst du
wissen, dass NCL eine neurodegenerative Erkrankung ist und du wirst
vielleicht auch wissen, dass es bis heute nicht gelungen ist, die
Krankheit zu heilen. Viele Kinder sterben noch im Säuglingsalter.
Sie zeigen Rückschritte in der Entwicklung, Visusverlust, Demenz
und Epilepsie. Ich muss also Forschungsbedingungen schaffen, die der
Realität so nah wie möglich kommen. Deswegen auch das Alter
der Probanden. Stell dir vor, mir gelingt es, die Krankheit zu
heilen. Stell dir vor, ich würde zum Herrscher über Leben
und Tod. Das würde mich selbst unsterblich machen.“
    „ Nein, du irrst dich! Du
bist nicht Gott! Du und ich, wir sind Ärzte und das bedeutet,
dass wir bei
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