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Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge
Autoren: Regina Reitz
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Qual, als die Erinnerung
tiefe Wunden in ihm aufriss. „Ich war nur wenige Minuten fort,
da bin ich umgekehrt. In der ganzen Hektik hatte ich mein
Portemonnaie vergessen. Noch bevor ich die Haustür aufschloss,
hörte ich Lennart schreien. Er klang wie ein kleines Tier. Aber
noch schlimmer waren die Schreie seiner Mutter. Kalt! Wütend!
Voller Hass! Und dann vernahm ich die Schläge. Immer wieder
diese dumpfen Schläge. Ich bin ins Wohnzimmer gerannt. Lennart
lag inmitten eines Scherbenhaufens auf dem Boden. Christine stand
über ihm und schlug und trat auf ihn ein. Sie ließ nicht
von ihm ab, war wie von Sinnen.“ Wellinger fuhr sich erschöpft
über sein Gesicht, trotzdem erzählte er weiter. „Lennart
hatte versucht, sich am Wohnzimmertisch emporzuziehen und dabei die
Tischdecke heruntergerissen. Auf dem Tisch standen diese kitschigen
Glasfiguren und Lennart muss sie gemeinsam mit dem Tuch
heruntergezogen haben. Christine hat diese Glasfiguren immer geliebt
und nun lagen sie zerbrochen auf dem Fliesenboden. Da ist sie
ausgerastet. Ich bin auf sie zugestürzt und habe sie von Lennart
fortgerissen. Dabei fielen wir zusammen auf den Boden. Sie war außer
sich vor Wut, hat geschrien und um sich geschlagen, doch mein Gedanke
galt nur Lennart. Er lag auf den Fliesen und weinte erbärmlich.
Und als ich mich über ihn beuge, schießt plötzlich
Christines Arm vor. In der Hand hielt sie die Scherbe eines
Aschenbechers, der auch auf den Fliesen zerbrochen war. Sie hat mich
genau hier getroffen.“ Wellinger deutete auf seine Narbe. „Es
war der helle Wahnsinn.“
    Sie sahen sich traurig an.
    „ Meine Verletzung war mir
egal. Ich musste mich doch zuerst um Lennart kümmern und
feststellen, ob seine Mutter ihm ernsthaft Schaden zugefügt
hatte. Tatsächlich war sein Körper voller Wunden. Erst am
nächsten Tag war das Ausmaß in seinem ganzen Schrecken zu
sehen. Überall waren blaue Flecken und kleine Schnittwunden. Und
anstatt ihn in ein Krankenhaus zu bringen, habe ich mich mit ihm
eingeschlossen. Ich hatte solche Angst, dass man ihn mir weg nimmt.
Ich hatte in allem versagt. Verstehst du das, Franziska? Ich weiß,
dass ich falsch gehandelt habe. Christine ist noch in derselben Nacht
verschwunden. Ich habe auf der Dienststelle angerufen und mir meinen
Resturlaub geben lassen. Wie zwei verletzte Tiere haben Lennart und
ich uns in unserer Höhle verkrochen. Lennart hat unglaubliches
Glück gehabt. Die blauen Flecken verschwanden und kurz darauf
konnte er schon wieder lachen. Wie hätte ich meine Wunde
versorgen lassen können? Das hätte zu viele Fragen nach
sich gezogen und auf diese Fragen hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine
Antwort. Ich habe all das unterlassen, was wir von
verantwortungsvollen Leuten in einer solchen Situation erwarten.
Franziska, ich bin mir absolut sicher, wenn ich nicht zurückgekommen
wäre, Christine hätte Lennart totgeschlagen. Er darf das
nie erfahren. Als meine Mutter von ihrer Kegeltour zurückkam,
hat sie mir keine Fragen gestellt. Sie war nur froh, dass Christine
endlich aus unserem Leben verschwunden war.“ Der Kommissar nahm
einen tiefen Atemzug und lächelte zaghaft. „Mein Sohn ist
felsenfest davon überzeugt, ich hätte mir die Narbe bei
einer spektakulären Einsatz zugezogen und so soll es auch
bleiben.“
    Franziska nahm Wellingers Hand
und küsste sie sanft.

Kapitel 30

    „ Du machst was?“
Wellinger fiel die Kinnlade herunter.
    „ Lass sie doch, Dad! Ich
finde es super! Sie wird bestimmt vielen Menschen helfen können.“
    Franziska lächelte.
Gemeinsam saßen sie in dem kleinen italienischen Restaurant,
das sie so gerne mit Mike besucht hatte.
    „ Aber Somalia ist so weit
weg!“
    „ Es ist näher, als die
meisten Menschen vermuten würden“, flüsterte
Franziska. Das Sprechen fiel ihr immer noch schwer. „Außerdem
möchte ich endlich Mahima kennen lernen.“
    „ Das war ganz schön
mutig von ihr, das Buch in den Koffer zu schmuggeln“, sagte
Lennart.
    „ Ja“, nickte
Franziska. „Als sie erfahren hat, dass Esther hinter allem
steckt, hat sie bitterlich geweint.“
    Ich verstehe immer noch nicht,
warum Esther die Mütter mit den Kinder zusammen nach Deutschland
geholt hat.“ Verwundert schüttelte Lennart den Kopf.
    „ Das kann ich dir
erklären“, sagte Wellinger. „Als die Frauen nach
Deutschland einreisten, hat man ihnen die Schwangerschaft noch nicht
angesehen. Aber Esther wusste durch ihre Arbeit im Lager Bescheid.
Die Frauen haben sich ihr anvertraut
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