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Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge
Autoren: Regina Reitz
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sein Gedächtnis. „Jetzt
sagen Sie schon was los ist, Ricarda!“
    Zögernd wagte sich die junge
Frau wieder einen Schritt vor. „Ähm, wir haben hier
draußen eine Person weiblichen Geschlechts, die, wie sie sagt,
ein dringendes Anliegen hat. Nur ist im Moment niemand von uns frei
und wir haben sie gebeten zu warten, aber sie besteht darauf, sofort
mit jemanden zu reden.“
    Herr Gott, warum war sie denn so
umständlich? „Eine Person
weiblichen Geschlechts ?“
Der Spott in Wellingers Stimme blieb von Ricarda unbemerkt.
    „ Ja, genau“, nickte
sie dienstbeflissen.
    „ Ist diese Person
weiblichen Geschlechts hysterisch
oder verletzt?“, trieb der Kommissar sein Spiel weiter, doch
bevor Ricarda ihm antworten konnte, wurde sie sanft, aber bestimmt
von der Türe fort geschoben.
    „ Ich bin weder hysterisch
noch verletzt. Das Einzige, das wohl zutrifft, ist, dass ich eine Person
weiblichen Geschlechts bin. Eine, die besorgt ist, um genau zu sein.“
    Die Frau, die im Türrahmen
erschien, warf einen mitfühlenden Blick auf Ricarda, die hilflos
zu ihrem Vorgesetzten schielte.
    „ Dann kommen Sie schon
rein!“, schnaubte Wellinger. Er hatte die Worte noch nicht ganz
ausgesprochen, da suchte Ricarda bereits das Weite. Die Unbekannte
blieb jedoch zögernd stehen.
    Worauf wartete sie denn noch?
Unwillig deute Wellinger auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch
stand. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
    Die Frau musterte das mürrische
Gesicht mit den müden braunen Augen, dann gab sie sich einen
Ruck und schritt mit festen Schritten durch das Büro. „Mir
musst du nicht helfen, aber jemand anderes steckt in der Klemme.“
Große blaue Augen musterten ihn ungeniert, als sie sich auf dem
Besucherstuhl nieder ließ.
    Wellinger sah sie überrascht
an. Warum duzte diese Frau ihn denn? Kannten sie sich vielleicht?
    Doch bevor er sie danach fragen
konnte, fuhr sie in ihrer Erklärung fort. „Es geht um
Mike, musst du wissen. Er ist verschwunden und ich bin sicher, nein,
ich weiß, dass ihm etwas Schreckliches zugestoßen sein
muss. Du musst herausfinden, was passiert ist!“
    „ Moment mal!“,
unterbrach er sie barsch. Er war sich nun sicher, die Frau noch nie
zuvor in seinem Leben gesehen zu haben. Trotzdem benutzte sie die
vertraute Anrede. Dabei wirkte die Besucherin keineswegs unhöflich
und wenn er es sich eingestand, flößte sie ihm sogar einen
gewissen Respekt ein. Trotz ihrer offensichtlichen Sorge, trat sie
äußerst selbstsicher auf. Sie konnte nicht älter als
dreißig Jahre sein, obwohl die zahlreichen Lachfalten um ihre
Augen diesem ersten Eindruck widersprachen. Ihr dichtes,
kastanienbraunes Haar fiel in sanften Wellen auf die schmalen
Schultern, die durch die Lederjacke, die sie trug, jedoch breiter
wirkten. Unter der Jacke zeichnete sich ein einfaches weißes
T-Shirt ab, dessen Stoff sich über einen runden, festen Busen
spannte und die langen Beine steckten in engen, hellen Jeans.
Wellinger betrachtete ihren vollen Mund. Die dezent geschminkten
Lippen mochte man sofort küssen. Es überraschte ihn, dass
Kriminaloberkommissar Thorsten Dreyer Ricarda mit der attraktiven
Besucherin zu ihm geschickt hatte. Sein Kollege stieg doch auch sonst
jedem Rock hinter her. Wenn er dieses Exemplar laufen gelassen hatte,
konnte es ihm nicht zu Gesicht gekommen sein.
    „ Willst du mich nur
anstarren oder können wir auch miteinander reden?“ Die
blauen Augen funkelten ihn sanft belustigt an.
    „ Entschuldigung“
murmelte er. Dann straffte er seine Schultern und schob sein Kinn
vor. „Sind wir uns schon einmal begegnet?“
    „ Soviel ich weiß,
nein.“
    „ Dann hören Sie auf,
mich zu duzen.“
    „ Warum?“, fragte die
Frau.
    „ Warum?“ Verblüfft
schüttelte er den Kopf. „Na, das liegt ja wohl auf der
Hand oder meinen Sie nicht?“
    „ Nein, warum? Ich duze alle
Menschen und mache da keinen Unterschied.“
    „ Sie machen keinen
Unterschied?“ Er plapperte ihre Worte nach, wie ein dämlicher
Papagei.
    „ Nein, warum sollte ich?
Ich bin davon überzeugt, dass der Respekt, den man gegenüber
einem Menschen empfindet, selten in der gewählten Anrede zum
Ausdruck kommt. Oftmals verschleiert sie sogar die eigentliche
Haltung. Ob ich jemanden respektiere oder nicht, drückt sich bei
mir immer darin aus, wie ich die einzelne Person wertschätze, ob
ich sie ernst nehme, ob ich ihr, egal welcher Herkunft sie ist, die
gleiche Achtsamkeit und die gleiche Behandlung zukommen lasse.“
    Wellinger klappte den Mund
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