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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle
Autoren: Tobias O. Meißner
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was
ich vorhin über das Betrachten der Quelle gesagt habe. Das war wenig einfühlsam
von mir. Manchmal überkommt mich die drängende Jugend meines Körpers mit einem
ungerechten Herabwürdigen von Müdigkeit und Schwäche. Ich denke, gegenwärtig
bist du derjenige von uns, der den Göttern am nächsten ist, Rodraeg Delbane.
Geh mit deinem Husten in den Tempel des Kjeer. Mir scheint, ich rieche
Schwarzwachs in deinem Atem.«
    Rodraeg erbleichte,
obwohl Geskara bereits ähnliches zu ihm gesagt hatte. Aber das Marionettenkraut
hatte nicht geholfen, oder es war zu wenig gewesen oder zu spät.
    Â»Ach, noch eines.«
Versonnen betrachtete Riban die Tür mit dem aufgemalten Mammutumriß. »Tragt ihr
euch mit dem Gedanken, das durch Migal Tyg Parns Weggang freigewordene Zimmer
wieder zu belegen?«
    Naenn und Cajin
schauten Rodraeg fragend an. Der mußte sich zusammenreißen, um wieder in den
Augenblick zurückzufinden. »Äh, ja, ich denke schon …«
    Â»Nicht in der heutigen,
nicht in der morgigen, sondern der übermorgigen Nacht«, raunte Riban, »werden
zwei Männer nacheinander an diese Tür klopfen. Schaut sie euch genau an.
Womöglich wäre einer der beiden etwas für euch.«
    Riban gab den vieren,
die mit ihm an die Tür gekommen waren, die Hand und ging dann schnellen
Schrittes die Straße hinauf bis zur Kreuzung, wo er sich nach rechts Richtung
Innenstadt wandte. Er trug nur leichtestes Gepäck, keinen Rucksack und keine
Waffe.
    Cajin schloß die Tür
hinter ihm, und bis auf ihn gingen die Gefährten wieder zurück in den
Versammlungsraum, während Cajin sich um ein schmackhaftes Wiedersehens- und
Abendmahl kümmerte.
    Â»Willst du den Brief
nicht öffnen?« fragte Hellas mißmutig. »Ich wüßte gern, wohin der Rotzlöffel uns
als nächstes schickt.«
    Â»Der Rotzlöffel ist
vierundsiebzig Jahre alt und verjüngt sich pro Jahr um fünf«, erklärte Rodraeg
knapp. »In den ersten fünf Jahren war das womöglich schön für ihn, aber jetzt
ist er körperlich vierzehn und hat keine drei Jahre mehr vor sich.«
    Bestar staunte, doch
Hellas blieb unbeeindruckt. »Um so schlimmer. Wenn er das Leben nicht nur
vorwärts, sondern auch rückwärts erkundet hat, sollte er eigentlich über
Hochnäsigkeit hinweg sein. Finde ich.« Er leerte seinen nächsten Krug und lachte
dann. »Immerhin ist nach all dem Ruß und Dreck in der Höhle meine Kehle so rauh
geworden, daß ich nun schneller saufen kann als früher.«
    Rodraeg versuchte mit
ihm gleichzuziehen, mußte aber beim Trinken husten. Hinter seiner vorgehaltenen
Hand sprühte rote Flüssigkeit hervor und benetzte sein Hemd, den Tisch und auch
den darauf liegenden Brief. »Es ist ja nur Wein«, beeilte er sich zu
versichern. »Es ist ja nur Wein.«
    Bestar und Naenn
sprangen auf, um etwas zum Wegwischen zu holen, doch Bestar war schneller. »Ich
mach das«, sagte er, und Naenn setzte sich wieder. Sie sah jetzt, im
veränderten Licht, noch sorgenvoller aus als vorhin schon. Ihre Augen waren
fast so groß wie die eines Untergrundmenschen. Konnte sie Rodraegs Furcht
empfinden? Fiel es ihr deshalb so schwer, ihm in die Augen zu sehen?
    Während Bestar
aufwischte und Hellas Wein in sich hineinkippte, herrschte Schweigen. Cajin
tischte Abendbrot auf, aber lediglich Bestar langte zu.
    Â»Nicht in der heutigen,
nicht in der morgigen, sondern der übermorgigen Nacht«, wiederholte Rodraeg
nachdenklich. Konnte Riban in die Zukunft blicken? Wenn ja: wie weit? Und wenn
einigermaßen weit: Warum hatte er dann nicht sehen können, daß in Terrek eine
Art Krieg ausbrechen würde? Oder hatte er es gesehen und geschwiegen?
    Nein, Riban konnte
nicht in die Zukunft sehen. Viel wahrscheinlicher war, daß er zwei Männer in
bezeichneter Nacht zu dieser Tür lenkte, so, wie er und Estéron auch Erdbeben
nach Terrek gelenkt hatten. Aber weshalb zwei? Um Rodraeg erneut auf die Probe
zu stellen, denn nur einer von beiden war der richtige.
    Â»Was ist nun mit dem
Brief?« bohrte Hellas noch einmal.
    Â»Heute nicht«,
antwortete Rodraeg. »Morgen auch nicht. Ich möchte den morgigen Tag nutzen, um
über das Geschehene nachzudenken. Ich will einen Tempel aufsuchen, vielleicht
mehrere. Zu vieles liegt noch im Dunkeln. Zu viele Fragezeichen spuken mir im
Kopf herum. Ich will, daß
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