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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle
Autoren: Tobias O. Meißner
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Prolog
    Die Flaggen vor dem
Zelteingang, gold und blau mit einer strahlenden Krone darauf, hingen schlaff
im kalten Morgendunst. Der junge Hauptmann zögerte kurz, dann schlug er die
Plane zur Seite.
    Â»General? General!«
    Der General rappelte
sich mühsam auf die Ellenbogen. Seit gestern war er merklich gealtert,
unrasiert, schwindlig vor Fieber. Die Felle, mit denen er sich zugedeckt hatte,
waren fleckig von seinem nächtlichen Schweiß. Der junge Hauptmann, der jetzt
vor seinem Lager stand, war der letzte Offizier dieses Ranges, der noch am
Leben war. Alle anderen waren bereits umgekommen auf diesem von den Göttern verfluchten
Feldzug, im Steinschlag begraben oder gefallen bei den Angriffen hinter dem
düsteren Karstfeld.
    Â»Was gibt es,
Hauptmann?«
    Â»Die Magier sagen, sie
sind jetzt beinahe bereit.«
    Â»Alle? Auch dieser
Eigenbrötler mit den Bienen?«
    Â»Alle, General. Man wartet
auf Euer Kommando.«
    Â»Ist es hell draußen
oder dunkel?«
    Â»Leider schon hell.
Aber keine Anzeichen von Spähern.«
    Â»Die gab es bisher nie,
mein Junge. Anzeichen. Gut, ich komme.« Besorgt betrachtete der junge
Hauptmann, wie sein General sich hochzog und wackelig im niedrigen Zelt stand.
Die Bediensteten des Offizierstabes waren ebenfalls nicht mehr am Leben,
deshalb mußte der alte, kranke Mann sich selber waschen und ankleiden. Der
Stabsmedicus hätte hier sein sollen und sich kümmern, aber er war vom gleichen
unerklärlichen Fieber befallen und starb zwei Zelte weiter vor sich hin. Magie,
munkelten die Soldaten, die allem mißtrauten, was nicht mit Händen zu greifen
war. Magie also auch auf seiten des Feindes.
    Vom Feind hatten sie
bislang tatsächlich kaum etwas zu sehen bekommen. Bizarre Gestalten, die über
die Hänge von Schluchtwänden huschten und Pfeile und Speere von oben
schleuderten. Schließlich die Steinlawine, die zwei ganze Züge verschüttete,
fast einhundert Mann. Das vereiste Karstfeld, wo die Pferde eingebrochen waren
und der ganze Troß ins Stocken kam und Umwege erkunden mußte. Mehrere der
Kundschafter aus dem schlachtengewohnten Galliko waren nicht mehr
zurückgekehrt. Dann die nächtlichen Angriffe. Die Dunkelheit so
undurchdringlich wie Rauch. Ein seltsamer Geruch nach verbrannten Gewürzen.
Haarige Schemen, mit den klirrenden Münzen der zivilisierten Welt verziert,
griffen mit Steinschleudern an, warfen Speere und zogen sich dann wieder
zurück. Immer mehr Verwundete. Immer mehr wurden krank von der Kälte, der
Anspannung, den gelblichen Gasen, die überall waberten, und dem schlechten
Wasser, das von der Haut abperlte wie Öl.
    Nur den Magiern konnte
das Fieber nichts anhaben. Sie waren eine eigene Einheit, meist unter sich, und
sie schützten sich mit Kräutern und Bemalungen und komplizierten Ritualen. Es
waren merkwürdige Menschen. Die meisten waren Priester der zehn Gottheiten,
aber es waren auch andere unter ihnen, lebendige Rätsel. Einer war zwergwüchsig
und hatte bunt gefärbte Zähne, ein anderer war am ganzen Leibe tätowiert. Zwei
Frauen waren dabei, die blind waren und sich fortwährend an den Händen hielten.
Ein Dunkelhäutiger mit langen Zöpfen, der sich selbst geißelte, um zu Kräften
zu kommen. Einer hatte honiggelbes Haar und wurde unablässig von Bienen
umschwärmt, obwohl der Winter hier im Norden noch härter war als in den
mittleren Landen.
    Im Winter ist der Feind
am schwächsten, hatte es in der Hauptstadt Aldava geheißen. Im Winter schlafen
die Affenmenschen in dunklen Höhlen und sind betäubt vom Qualm kokelnder
Weinblätter. Auch die anderen Ungeheuer, die es hier oben jenseits der Felsenwüste
gab, sollten im Winter ruhen oder träge vom im Herbst angefutterten Fett sein.
Bislang hatten sich zwei Zusammenstöße mit Ungeheuern ereignet, der erste mit
einem riesigen Panzerlöwen und der zweite mit einem Rudel Haihunde. Alle hatten
ausgeruht und hungrig gewirkt, und alle hatten sie weitere Kerben in den
torkelnden Heerwurm der Königin gebissen.
    Daß die Informationen
aus Aldava wenig taugten, wurde spätestens in der zweiten Woche des Feldzuges
offenbar, nachdem der Feind sich immer noch nicht gezeigt hatte. Die
Theoretiker des königlichen Hofes hatten Stein und Bein geschworen, daß die
Affenmenschen einen so weiten Vorstoß auf ihr Gebiet nicht dulden und sich mit
der üblichen Truppenstärke dem
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