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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle
Autoren: Tobias O. Meißner
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wurde an den General weitergereicht. Er kniff ein Auge
zusammen und spähte mit dem anderen durch das armlange Rohr. In einem
kreisrunden Ausschnitt konnte er nun den »Skorpionhaufen« von Nahem betrachten
und seinen Blick unbemerkt schweifen lassen.
    Â»Sie verrichten ihr
Tagwerk«, kommentierte der General. »Tollen im Schnee herum. Schnuppern an den
Weibchen. Sieht nicht so aus, als würden sie mit uns rechnen.« Der milde Geruch
von Honig stieg ihm in die Nase, und er wandte sich um. Da war er wieder, der
eigentümlichste unter den Magiern, mit seinen gelben Haaren und dem alterslosen
Gesicht. Nur eine einzige Biene umkreiste heute morgen sein Haupt.
    Â»Erlaubt Ihr mir, daß
ich etwas zu bedenken gebe?« fragte der Magier höflich.
    Der General seufzte.
»Es würde mich verblüffen, wenn Ihr es einmal unterlassen würdet. Wo drückt
Euch diesmal der Schuh, Bienenbändiger?«
    Â»Wenn Ihr davon
ausgeht, der ›Skorpionhaufen‹ könnte eine Falle sein – wäre es dann nicht auch
denkbar, daß die Bewohner mit einem Einsatz unserer Magier rechnen und sich
entsprechend gewappnet haben?«
    Â»Was! Denkt Ihr, wir
werden nichts ausrichten können mit unserer Magie?«
    Â»Ich denke, daß alles
Denkbare und Undenkbare passieren kann vermittels der Magie.«
    Der General ließ sein
›Weitauge‹ sinken und hustete. »Das sind doch nur Tiere! Ihr glaubt doch nicht
allen Ernstes, daß die sich auf Magie verstehen?«
    Â»Sie kleiden sich,
bauen sich Behausungen, sprechen eine Sprache und sind organisiert genug,
unserem Heer nicht einfach ins offene Messer zu rennen, sondern uns langsam
auszubluten. Ich vermute schon seit Wochen, daß es hinter den Affenmenschen
eine uns unbekannte lenkende Kraft gibt, die ihnen Anweisungen erteilt, wie
sie unserem Feldzug am geschicktesten begegnen können.«
    Â»Das ist doch Unsinn«,
mischte sich der Senchak-Priester barsch ein. »Es gibt keinerlei Hinweise auf
einen König der Affenmenschen, noch auch nur auf einen General. Sie verehren
nicht mal einen einheitlichen Gott! Die Affenmenschen sind in Sippen und Stämme
zerfallen, ähnlich wie unser Kontinent vor der Vereinigung durch König Rinwe.
Jede Sippe betet ihren eigenen Fetisch an und verfolgt ihre eigene
Kriegsstrategie. Sie haben einfach nicht genug Hirn im Schädel, um sich
abzusprechen.«
    Der gelbhaarige Magier
blieb unbewegt. »Dennoch haben sie uns bis hierher durchkommen lassen, als ob
sie das gewollt hätten.«
    Â»Und was soll an diesem
Ort so besonders sein?« fragte der General mit Spott in der Stimme.
    Â»Ich weiß es nicht. Ich
habe meine Bienen ausgesandt, und sie sagten, der Ort war gestern und ist heute
so wenig, als sei er gar nicht vorhanden, aber seine Zukunft sei wie ein
blendendes Licht.«
    Wieder spuckte der
General aus. »Seine Zukunft! Die Zukunft dieses Ortes endet genau heute! Schluß
jetzt mit diesem albernen Geschwätz – ich will die Sache hinter mich bringen,
bevor der nächste Fieberschub mich schwächt. Hauptmann!«
    Der junge Offizier trat
vor. »General?«
    Mit vor Anstrengung
geröteten Augen legte der General dem Hauptmann eine Hand auf die Schulter,
mehr um sich zu stützen als zum Zeichen des Vertrauens. »Hauptmann, ich will,
daß Ihr die Hälfte der Männer mitsamt allen Verwundeten und Entkräfteten
zurückführt bis tausend Schritt hinter unserer Lagerlinie, denn eigentlich gibt
es nur zwei Möglichkeiten, was hier vorne passieren kann. Entweder geht alles
glatt, dann werde ich nur wenige Männer brauchen, um die schwelende Asche des
Skorpionhaufens mit meinen Stiefeln platt zu treten, oder aber es geht etwas
schief, und dann ist es besser, wenn wir noch eine zweite Linie in Reserve
halten. Ihr übernehmt das Kommando über diese zweite Abteilung. Kontakt halten
wir über Feldläufer und über ein ›Weitauge‹, das Ihr mitnehmt.«
    Â»Verstanden, General.
Die andere Hälfte der Männer schicke ich zu Euch nach vorne?«
    Â»So ist es, mein Junge.
Sie sollen leise vorrücken, mit leichtestem Gepäck. Den Rest tragen Eure Leute
nach hinten.«
    Â»Verstanden.« Der junge
Hauptmann salutierte und wandte sich zum Gehen, doch dem General fiel noch
etwas ein. Er hielt den Hauptmann zurück, indem er ihn beim Namen nannte.
    Â»Hauptmann Gayo?«
    Â»Ja, General?«
    Â»Vergeßt nicht: Mit
diesem
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