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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle
Autoren: Tobias O. Meißner
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wir uns sammeln und neu rüsten. Daß wir – wenn auch
nur kurz – ganz durchschnaufen können, bevor die Anspannung wieder losgeht.
Übermorgen, rechtzeitig bevor die beiden nächtlichen Besucher kommen, lesen wir
den Brief, damit wir wissen, worauf wir achten müssen. Jetzt gebe ich den Abend
frei. Ich für meinen Teil bin hundemüde und will einfach nur ins Bett.«
    Â»Aber wir haben doch
was zu feiern!« schmollte Bestar. »Wir haben fünfhundert Taler bekommen, unsere
erste Mission abgeschlossen, wir sind wieder hier …«
    Â»Feiert. Feiert für
mich mit. Ich habe mich so lange auf mein schmales, fensterloses Zimmerchen
gefreut, ich kann jetzt nicht mehr dagegen ankämpfen.«
    Â»Dann gehen wir ins Leer das! rüber«, schlug Cajin vor. »Naenn, kommst du mit?«
    Â»Muß ich ja wohl, um
darauf aufzupassen, daß die beiden dich nicht restlos abfüllen. Ist das in
Ordnung, Rodraeg?«
    Rodraeg nickte, trank
noch einen Schluck Wein, stellte den Oobokopf auf seinen Schreibtisch im
Büroraum, winkte den anderen und verzog sich hustend nach oben.
    Das kleine Zimmer. Zwei
mal drei Schritt. Sechs Quadratschritt.
    Still, nachdem die
anderen unten aus der Tür gepoltert waren.
    Dunkel, ohnehin immer.
    Allein. Selbst Naenn
atmete nicht nur wenige Schritt entfernt.
    Mit hinter dem Kopf
verschränkten Armen lag Rodraeg noch lange wach und starrte ins Nichts.
    In seiner Brust
pulsierte die dunkle Quelle.
    Er dachte über vieles
nach. Über Soldaten, die keine andere Wahl hatten, als Befehle zu befolgen.
Über Migal und Hellas, die seinen Rückzugsbefehl nicht befolgt und damit die
schrecklichen Kämpfe im Talkessel ausgelöst hatten. Darüber, daß er keine
Soldaten anführen wollte, sondern Leute, die das Denken nicht verlernt hatten,
auch wenn das bedeutete, daß er immer wieder gegen Eigenmächtigkeiten würde
ankämpfen müssen. Er dachte über Naenn nach, und wie sie sich auf der nächsten
Mission ihm gegenüber positionieren würde. Stand sie unbedingt hinter ihm, oder
vertrat sie den Kreis, die Götter und das uralte Wissen der
Schmetterlingsmenschen? Würde er besser daran tun, sich ihr unterzuordnen,
anstatt auf einer sinnlosen Hackordnung zu beharren? Er dachte über Ijugis
nach, Timbare, Achildea und die Theorie der vier Quellen.
    Und plötzlich ging ihm
ein Licht auf. Wie unaufmerksam man sein kann. Wie konzentriert auf das
Geheimnisumwobene und Umkämpfte, so daß einem das Alltägliche gar nicht mehr zu
Bewußtsein kam.
    Natürlich: die Quelle
des Wassers. Fünf Jahre hatte er an ihr gelebt. Mit Naenn hatte er sich dort
getroffen. Ein Kiesel von dort lag unten in seiner Schreibtischschublade.
    Die Reihenfolge stimmte
also doch. Zuerst die Quelle des Wassers, dann die der Erde. Als nächstes
folgte die noch unbekannte der Luft, und zuletzt, im Land der Affenmenschen,
schloß die furchtbare Quelle des Feuers den Kreis.
    Er war genau auf Kurs.
Naenn folgte ihm, mit mehr Ruhe und Weisheit, doch er bahnte den Weg voran
durchs dornige Gestrüpp. Gegenwärtig , hatte der
Magier gesagt, bist du derjenige von uns, der den Göttern am
nächsten ist .
    Von hier aus geht es
bergan, einem Wunder entgegen.
    Mit diesem Gedanken
schlief Rodraeg ein.

Epilog
    Der junge Mann
überquerte den belebten Vorplatz, ging auf die Posten am Palasttor zu und
reichte ihnen ein Pergament. »Die Königin erwartet mich«, sagte er so leise,
daß man ihn kaum verstehen konnte.
    Die golden und blau
herausgeputzten Wächter mit ihren Kronenornamenten auf Brustpanzer, Handschuhen
und Puffärmeln betrachteten ihn und das Schriftstück mit demselben Argwohn. Der
junge Mann trug eine schwarze Kutte mit zurückgeschlagener Kapuze. Seine Haare
waren kurzgeschoren, so daß die mehrfarbige Tätowierung auf seiner Stirn betont
wurde. Die Augen glühten schwarz in einem ohnehin ausdrucksvollen Gesicht. Die
Haut des jungen Mannes war dunkler noch als die eines Sonnenfelders. Wahrscheinlich
war er ein Mischling aus den Randgebieten der Regenwälder, aus der Silbernen
Krone oder den Nekeru-Bergen.
    Â»Wie ist Euer Name?«
fragte der Erfahrenste der Torwächter.
    Â»Akamas«, antwortete
der junge Mann.
    Â»Ich kenne diese
Tätowierung«, sagte der Wächter und deutete auf Akamas’ Stirn. »Unten liegt die
Erde. Auf ihr ringen Feuer und Wasser um die Vorherrschaft. Darüber
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