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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle
Autoren: Tobias O. Meißner
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wölbt sich
licht und blau die Luft. Aber oberhalb der Luft ist es dunkel und von den
Göttern verlassen. Ihr seid ein Schüler der Vier Gründe. Es ist mindestens
fünfzehn Jahre her, seit ich zuletzt einen von Euch zu Gesicht bekam.«
    Â»Die Schule der Vier
Gründe besteht nur noch aus drei Lehrern und vier Schülern«, erklärte Akamas
leise. »Wir sind selten geworden und also schwer zu finden.«
    Â»Ich muß Euch leider
auf Waffen durchsuchen.«
    Â»Nur zu. Ich bin nicht
bewaffnet.«
    Tatsächlich förderte
das Abtasten nichts zutage.
    Â»Aber Ihr habt magische
Fähigkeiten?«
    Â»Das ist richtig.«
    Â»Dann wartet bitte
einen Augenblick. Ich werde einen Palastmagier verständigen, der Euch begleiten
wird, und einen Diener, der Euch zur Königin führt.«
    Â»Dankeschön.«
    Akamas wartete
geduldig. Der Palastmagier, der die Aufgabe haben würde, innerhalb der
Räumlichkeiten Akamas’ magische Fähigkeiten abzublocken, entpuppte sich als
streng blickende Frau mittleren Alters. Der Diener, der kurz darauf heranglitt,
in dunkle, unauffällige Farben gewandet, war ein ebenfalls schon älterer Mann.
»Die Königin erwartet Euch im Federgarten«, sagte er mit einer tiefen
Verbeugung. Akamas verbeugte sich ebenfalls und folgte den beiden nach innen.
Die Magierin verzog keine Miene.
    Zu dritt durchquerten
sie Flure, Treppensäle, säulengestützte Gartenarkaden und verspiegelte
Zimmerfluchten. Überall standen Statuen, hingen Gemälde und Wandteppiche,
kunstvolle Öl- und Walratlampen, standen gepolsterte Sessel, polierte Tische
aus Regenwald-Edelhölzern, Schränke voller Geschirr und Glasvitrinen mit
Schmuck und alten Roben. Ihr Weg endete in einer atemberaubenden Halle, in der
Bäume wuchsen. Fleischige Blätter und Blumen quollen überall hervor, die Decke
bestand aus einem verzierten Käfiggitter, und Hunderte seltener Vögel
schwirrten durch die Luft, saßen in den Zweigen oder eilten durch das
Unterholz, labten sich an einem künstlichen Wasserfall und an auf Stäbchen
gesteckten Fruchtscheiben und erfüllten die gesamte Halle mit dem Zwitschern
und Tirilieren eines Urwaldes.
    Königin Thada saß
mitten im Dickicht auf einer kleinen weißen Elfenbeinbank und warf einigen
zutraulichen Ziertauben und mit blauen Federkronen geschmückten Fasanen Körner
und Gebäckkrümel zu. Sie trug keine Krone oder sonstige Insignien der Macht.
Ein enganliegendes Seidenkleid von matt violetter Farbe. Die schwarzen Haare
hochgesteckt, der Hals lang und gerade und von vornehmer Blässe. Jede ihrer
Bewegungen war damenhaft, als sie sich zu den Neuankömmlingen umwandte.
    Â»Ihr könnt uns allein
lassen.«
    Â»Majestät, ich muß
darauf bestehen …«, begann die Magierin.
    Â»Ihr solltet einem
Mönch der Vier Gründe Vertrauen entgegenbringen. Gewöhnt euch an seinen
Anblick. Er beißt nicht. Er zaubert nicht wild drauflos. Er fällt ganz bestimmt
nicht über mich her. Und nun habt bitte die Güte, mich mit ihm alleine sprechen
zu lassen.«
    Widerstrebend, aber
gehorsam verließen die Magierin und der Diener den Federgarten.
    Akamas ließ sich auf
ein Knie nieder und senkte sein Haupt. »Meine Königin?«
    Â»Laß den Unsinn und
setz dich neben mich.« Beim Lächeln entblößte sie ihre weißen Zähne hinter
dunkelrot geschminkten Lippen. Akamas war verwirrt von ihren Wimpern, den
schmalen Brauen, ihrem Lächeln, der Art, wie ihre Haare sich an den Schläfen
kräuselten. Sie glich den aufgefächerten Blüten ringsum, nur ganz und gar nicht
unbewegt. Er raffte sein Gewand und setzte sich gehorsam neben sie.
    Sie schwiegen kurz und
gedachten ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Kinder waren sie gewesen, beinahe
auf den Tag genau gleich alt, er der Ziehsohn eines reichen Sklavenhändlers aus
Diamandan, sie die zukünftige Thronfolgerin, die zusammen mit anderen Kindern
unterrichtet wurde, um das wahre Leben außerhalb von Palastmauern
kennenzulernen. Das war, bevor man seine Begabung entdeckte, aus totem Holz
Funken zu schlagen und salzige Tränen aus einem Stein zu wringen. Bevor ihre
Wege sich trennten, weil sie in das Funkeln und Glitzern des Königshofes
einging und er in das blakende Talglicht eines versunkenen Klosters.
    Zweimal hatten sie sich
seit ihrer Kindheit wiedergesehen, immer nur kurz und umringt von anderen.
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