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Die dunkle Muse

Die dunkle Muse

Titel: Die dunkle Muse
Autoren: Armin Oehri
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Krosick und suchte in den Tiefen seiner Taschen nach Geld.
    »Hier«,
kam ihm Julius zuvor und entrichtete dem Mann seinen Lohn. »Dafür fahren Sie umgehend
in die Stadt, zum Spandauer Schifffahrtkanal. Halten Sie bei der Kammerschleuse
der Havel am Westufer an. Dort steigen wir aus.«
    Mit gieriger
Gewandtheit griff der Mann nach dem Geld. Die Freunde stiegen in den Verschlag und
bald darauf knallte draußen die Peitsche.
    »Am Havelufer
wohnt Bissing, nicht wahr?«, fragte Albrecht.
    Es war mehr
eine Feststellung und für Julius erübrigte sich die Antwort. Wortlos starrte er
aus dem Fenster, um den Friedhof zu betrachten, der wieder still und friedlich dalag.
Die Kutsche bog in eine der Hauptstraßen ein und fuhr ungestört in Richtung der
alten Stadtmauer. Im Arbeiterviertel lief ihnen ein streunender Hund kläffend hinterher,
bis er mit hängender Zunge zurückblieb. Die brüchigen und rauchgeschwärzten Mietskasernen
kamen in Sichtweite und alsbald holperten sie über das Kopfsteinpflaster des Kais.
Kurz hinter dem Havelbecken ließen die Freunde anhalten und stiegen aus.
    »Warst du
schon einmal hier?«, wollte Albrecht wissen.
    »Ich kenne
seine Adresse«, entgegnete Julius wortkarg.
    »Verstehe.
Die Aktbilder.«
    Der junge
Zeichner beschleunigte die Schritte, bis er vor dem Eingangsbereich eines Wohnhauses
des Großbürgertums stehen blieb. Die Front bestand aus Klinkersteinen, eine nahe
Gaslaterne spendete ausreichend Licht, um die Messingplaketten mit den Namen der
Hausbewohner problemlos lesen zu können. Ein Geheimrat sowie zwei Doktoren waren
in den einzelnen Wohnungen einquartiert, während der Kommissar die Beletage belegte.
    »Zieh an
der Klingelschnur.«
    Bentheim
befolgte den Rat und trat dann zurück auf die Straße, um das obere Stockwerk besser
im Auge zu haben. Die mechanische Klingel wurde ausgelöst, Licht ging an, ein Fenster
wurde geöffnet. Bissings hagerer Kopf mit den geschorenen braunen Haaren wurde sichtbar.
Der Kommissar atmete tief durch, blickte kurz zum dunklen, frühmorgendlichen Oktoberhimmel
und meinte verdrossen: »Es muss wohl wichtig sein, die Herren?«
    »Sie vermissen
nicht zufällig ein Paar Handschuhe?«, rief Julius.
    »Gedulden
Sie sich einen Augenblick.«
    Er verschwand,
um wenig später mit einem Schlüsselbund zurückzukommen, den er aus dem Fenster hielt
und fallen ließ. »Fangen Sie auf!«
    Albrecht
und Julius betraten ein einladendes Vestibül mit Blumentöpfen auf dem Boden. Sie
stiegen die Treppe empor. Die Tür zur Beletage stand bereits offen, doch vom Hausherrn
war nichts zu sehen. Julius ließ dem Fotografen den Vortritt und folgte. Der Boden
war mit schwarzen Fliesen ausgelegt, in der Mitte stand ein Esstisch und es gab
viele Kommoden und Beistelltischchen. Den Geräuschen nach zu urteilen, die aus dem
Badezimmer drangen, war Bissing dabei, sich frisch zu machen. Zweifelsohne hatte
er seine Eitelkeiten, wovon auch das geschmackvolle Interieur der Wohnung zeugte.
Er schien betucht und klammerte sich nicht nur an den Rockschoss der Gesellschaft,
sondern auch an jenen der Schönen Künste. Überall standen Statuetten oder Aschenbecher
mit außergewöhnlichen Formen und hingen Bilder von bekannten Malern. Gewiss waren
es Kopien, aber sie zeugten von Geschmack, wie Julius ihm zugestehen musste. Innerlich
fühlte er sich sogar geschmeichelt, dass ein Mann mit diesem Kunstsinn ihn zum persönlichen
Pornografen gewählt hatte.
    Der Kommissar
erschien im Morgenmantel und roch nach dem Rosenduft seines Rasierwassers.
    »Was haben
Sie vorzubringen?«, fragte er, ohne den Gästen einen Platz anzubieten.
    Ohne Umschweife
zur Sache, dachte Bentheim. Er taxiert unser Aussehen und schon unsere vor Schmutz
starrende Kleidung verrät ihm, woher wir kommen.
    Krosick
nahm die Figur eines Fauns von einer Kommode und ließ sie spielerisch durch die
Hände gleiten, bevor sein Blick wieder den hageren Mann erfasste. »Eigentlich wissen
wir bereits alles, Herr Bissing, und die Beweise befinden sich in unserem Besitz.
Doch da wir Männer von Würde sind, geben wir Ihnen die Möglichkeit, sich wie ein
Ehrenmann von der Welt zu verabschieden. Sie besitzen eine Dienstwaffe?«
    Moritz Bissing
nickte.
    »Schreibzeug?
Blätter, Feder, Tinte?«
    »Ja.«
    »Richten
Sie alles her.«
    Für einen
Moment zögerte er, betrat dann jedoch sein Arbeitszimmer und kehrte mit den gewünschten
Sachen zurück, die er auf dem Esstisch niederlegte. Julius trat heran und nahm die
Vorderlader-Pistole, um
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