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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin
Autoren: Caren Benedikt
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und deutete erneut über die Lichtung. »Ich kenne das Kloster. Es ist derselbe Weg. Aber da wirst du kein Glück haben.«
    »Weshalb nicht?«
    »Es ist ein Mönchskloster. Die werden einer einzelnen Frau keinen Zutritt gewähren und erst recht nicht mit ihr unter einem Dach leben.«
    Anna überlegte. Auf den Gedanken, dass in dem Zisterzienser-Kloster, von dem sie schon das eine oder andere Mal in der Schänke gehört hatte, keine Ordensschwestern, sondern nur Mönche leben könnten, war sie nie gekommen. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen.
    »Ich danke dir.« Anna war versucht, ihn zum Abschied zu umarmen, überlegte es sich aber schnell anders. »Leb wohl!«
    Gawin sah ihr nach, wie sie sich schnellen Schrittes davonmachte. Sein Herz lag schwer wie ein Felsklumpen in seiner Brust. So plötzlich, wie Anna in sein Leben getreten war, hatte sie ihn auch wieder verlassen. Die Einsamkeit, an die er sich mit der Zeit gewöhnt und die ihm zuvor nur ab und zu zu schaffen gemacht hatte, breitete sich jetzt wie ein Flächenbrand in seinem Körper aus und schien ihm den Atem zu nehmen. Er war wieder allein, nur fühlte es sich auf einmal unerträglich an. Wütend machte er sich auf den Rückweg zu seiner Höhle. Er wünschte, er wäre ihr nie begegnet.

[home]
    4 . Kapitel
    M argrite konnte es nicht leiden so langsam voranzukommen. Sie hatte einiges an Gewicht mit sich herumzuschleppen, war aber immer noch flinker unterwegs als diese dünnen Klappergestelle von Dirnen, die vor lauter Schwatzhaftigkeit keinen Fuß mehr vor den anderen bekamen. Und dieses furchtbare Gekicher immerzu, sobald sich die Männer anschickten, ein wenig mit ihnen zu plaudern. Glaubten diese Kerle etwa, dass sie deswegen nicht bezahlen müssten? Da würde Margrite sie ganz schnell eines Besseren belehren. Grimmig zog sie dem Ochsen eins mit der Peitsche über. »Na los, mach schon. Sonst müssen wir noch hier draußen übernachten.«
    Das Tier schien den Schlag gar nicht bemerkt zu haben. Unbekümmert und ohne Hast zog es den Karren hinter sich her.
    »Warum so übellaunig, Margrite? Wir werden das Rasthaus auch ohne Eile noch vor der Dunkelheit erreichen.« Gutmütig klopfte Anderlin ihr den Rücken und sah sie aufmunternd an.
    »Wir kommen viel zu langsam voran.« Sie seufzte. »Ich will rasch weiter Richtung Norden. Dort hat sich die Pest längst nicht so ausgebreitet wie hierzulande.«
    »Sorg dich nicht. Wir sind der Krankheit bislang entkommen und werden es auch weiterhin.«
    Sie mühte sich um ein Lächeln, doch auf ihrer Stirn erschien eine tiefe Sorgenfalte. Sie hatte schon zu viele Menschen elendig verenden sehen. Wann auch immer ihr Tag kommen würde – auf diese Art und Weise wollte sie die Welt nicht verlassen.

    Früher als gedacht erreichten sie die Schänke. »Nicht mehr weit von hier liegt Burg Beyenburg. Wir könnten in der Burgsiedlung Rast machen und einige Waren anbieten«, schlug Anderlin vor und sprang vom Karren.
    »Wir werden in Beyenburg haltmachen, aber nicht mehr heute. Wenn wir Geschäfte machen wollen, sollten wir uns dort in anständigem Zustand zeigen. Das bringt mehr Geld«, widersprach Margrite.
    Die anderen Mitglieder der Gruppe, zwei weitere Frauen und zwei Männer, standen teilnahmslos neben ihnen am Wagen und verfolgten das Gespräch. Seit ihrem Aufbruch in Würzburg hatten ausschließlich Margrite und Anderlin das Wort geführt. Daran schien sich auch jetzt nichts zu ändern.
    »Außerdem«, fügte Margrite hinzu, »werden wir hier weniger für die Nacht bezahlen müssen als in der Siedlung.«
    »Ja, weil es hier weniger sicher ist«, gab Anderlin zu bedenken.
    »Ich beschütze dich schon«, frotzelte Margrite. »Ich habe bisher gutes Geld verdient. Davon spendiere ich dir am Abend ein Bier, mein Guter.« Sie tätschelte ihm den Arm. »Und euch anderen auch. Aber nur eines, den Rest bezahlt ihr hübsch selbst.«
    Im Innern der Schänke roch es muffig und klamm. Die Binsen am Boden mussten schon seit geraumer Zeit nicht mehr gewechselt worden sein. Der Gestank von Erbrochenem stieg Margrite in die Nase.
    »He, Wirt, bei dir stinkt es!«, rief sie beim Eintreten.
    Doch statt eines erwachsenen Mannes stand ein Kind hinter dem Tresen, ein kleiner Junge, nicht älter als zehn Jahre.
    »Entschuldigt!« Der Bursche trat verlegen von einem Bein auf das andere. »Das ist der Kerl da«, fügte er flüsternd hinzu und deutete auf einen Mann, den Margrite übersehen hatte. Er lag zusammengerollt in der
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