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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
Autoren: Benjamin Constable
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rausgehen. Alles wird gut.
    Sie stieß mir den Lauf der Pistole in den Rücken. »Lauf weiter.« Ich spürte die Waffe durch meine Jacke hindurch an der Wirbelsäule und in dem Moment wurde mir etwas klar.
    Wir gingen eine Weile schweigend weiter, bogen mal rechts, mal links ab, und nach einigen Minuten, vielleicht zehn oder zwanzig, erreichten wir die Kammer mit den sieben Durchgängen.
    »Hier war ich schon mal«, bemerkte ich.
    Butterfly deutete mit dem Strahl der Taschenlampe auf den Gang, den ich nehmen sollte. Ich hörte, dass sie ein wenig zu schlurfen begann, und ihre Schritte wurden unregelmäßig. Wir kamen zu der Wendeltreppe mit den dreißig Umdrehungen und ich machte mich an den Aufstieg. Sie schien ihn anstrengender zu finden als ich. Ich muss die meiste Zeit außer Sichtweite für sie gewesen sein. Ich hätte sie spielend leicht abhängen können. Von hier aus wusste ich den Weg nach draußen. Ihre Aggressivität war nur gespielt. Butterfly schien hinter mir immer mehr in sich zusammenzufallen.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Nichts«, erwiderte sie. Sie hatte Mühe, das Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen.
    Ich lief weiter und sie folgte mir. Doch der Lichtstrahl reichte nicht mehr bis auf den Boden vor mir. Sie fiel immer weiter zurück.
    »Beeil dich mal ein bisschen, Butterfly.« Ich ging noch ein paar Schritte, doch sie kam nicht. Ich blieb stehen und lauschte. Ich hörte sie schwer atmen. Sie schniefte. Was hast du vor, Butterfly? Wozu diese dunklen Tunnel und die Pistole?
    Dann hörte ich, wie sie sich gegen die Wand sacken ließ. Wieder ein Schniefen. Sie weinte. Ich hörte sie an der Wand hinunterrutschen und das Licht ging aus.
    »Butterfly!«
    Sie antwortete nicht. Ich hörte leise Schluchzer und ihre hektischen, keuchenden Atemzüge.
    »Butterfly!«
    Nichts.
    » BUTTERFLY! «
    Ich versuchte, rückwärts zu gehen, und stolperte. Ich zog die Reste der Göttlichen Komödie aus meiner Tasche, riss eine Seite heraus, rollte sie zusammen und zündete sie an. Dann drehte ich mich um und eilte zu ihr zurück.
    Ich musste ein Stück laufen, bevor ich sie genau sehen konnte. Mit dem Rücken zur Wand hockte sie auf dem Boden, die Arme um die Knie geschlungen. Sie wickelte das Toffee aus, das ich ihr gegeben hatte, und steckte es in den Mund.
    »Butterfly?«
    »Du solltest ohne mich weitergehen.«
    »Warum?«
    »Ich komme nicht mit. Warte.« Sie öffnete ihre Tasche und nahm etwas heraus. »Aber erst reingucken, wenn du oben bist.« Sie reichte mir eine Plastiktüte voller Notizbücher. »Pack sie in deine Tasche.« Ich tat, was sie von mir verlangte.
    »Was ist los mit dir?«
    »Ich sterbe.«
    »Woran denn?«
    »Zyanid.«
    »Und wie konnte das passieren?«
    »Das Bonbon. Bittermandel-Toffee. Da ist Gift drin.«
    »Und du wolltest, dass ich das esse?«
    »Ja.«
    »Wieso?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil du zu viel weißt. Warum bist du so überrascht? Ich bedrohe dich seit Tagen mit einer Waffe.«
    »Ja, aber die ist aus Plastik.«
    »Gar nicht!« Sie hielt sie hoch und ich nahm sie ihr aus der Hand. Es war ein billiges Plastikspielzeug; das war mir klar geworden, als sie sie mir in den Rücken gestoßen hatte. Ich drückte ein paarmal den Abzug und sie gab ein Klicken von sich, das mich an einen Tacker erinnerte.
    »Es hat keine Morde gegeben, oder?«, fragte ich. »Nichts von alldem ist echt.«
    »Die Pistole ist nicht echt; aber ich musste mir was ausdenken, um dich davon abzuhalten, einfach hier rauszuspazieren und mich mitzunehmen. Das war das Einzige, was mir eingefallen ist.«
    »Hat ja gut funktioniert.«
    »Bis jetzt.«
    »Stirbst du wirklich?«
    »Ja, wenn das Gift so wirkt, wie es soll.«
    »Aber du hast das Toffee doch gerade erst gegessen. Was war denn davor? Warum bist du auf einmal zurückgefallen und hast angefangen zu weinen?«
    »Ich hatte Angst. Ich dachte, du würdest dich nie umsehen und ich müsste mit dir nach oben gehen.«
    »Was hat denn das Umsehen damit zu tun?«
    »Das findest du schon noch heraus.«
    »Hast du diese ganzen Leute wirklich ermordet?«
    »Ist das denn wichtig?«
    »Natürlich ist das wichtig, verdammt.«
    »Die Frage beantworte ich nicht. Frag mich was anderes.«
    »Du bist zu mir gekommen, als ich in dem Garten geschlafen habe, oder?«
    »Ich habe dir deinen Zimmerschlüssel geklaut und dein Handy ausgeschaltet, damit du nicht rangehen konntest, als der Nachtportier dich angerufen hat. Tut mir leid. Ich hoffe, du bist irgendwie ins Hotel gekommen
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