Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
Autoren: Benjamin Constable
Vom Netzwerk:
duschen, was Anständiges essen und in meinem Bett schlafen. Du musst mich gehen lassen, Butterfly. Du kannst nicht einfach Leute einsperren. Und umbringen auch nicht.«
    »Ich weiß gerade wirklich nicht weiter, Ben Constable. Und mit dir zu reden, macht es auch nicht besser.« Sie leuchtete mir einen Moment mit der Taschenlampe ins Gesicht, dann schaltete sie sie aus und ging.
    Meine Bartstoppeln kratzten am Hals und ich hatte nicht mal mehr Hunger. Dafür aber Durst. Ich träumte von Wasser in meinem Mund. Wenn ich wach war, redete ich mit Cat. Es war schön, ihn bei mir zu haben, und er war ein aufmerksamer Zuhörer. Ich versuchte, ihm Butterflys Situation zu erläutern, und er sah ein, dass sie äußerst heikel war, wusste aber auch keine Lösung. Wir schwelgten zusammen in Reiseerinnerungen und ich erzählte ihm von Orten, die ich noch gern sehen würde. Wir kamen ganz schön rum. Ich vertraute ihm meine Befürchtung an, dass, obwohl ich das aktuelle Datum nicht wusste, Beatrice in Paris gewesen und längst wieder weg war. Sie musste ziemlich sauer auf mich sein, weil ich weder auf Anrufe noch auf E-Mails reagiert hatte, und denken, dass ich nichts mit ihr zu tun haben wollte oder so. Ich überlegte, ob wir wohl trotzdem in Kontakt bleiben würden. Dann wieder kamen mir derartige Überlegungen vollkommen sinnlos vor. Manche Dinge passierten einfach und andere nicht. Cats Schweigen deutete ich als Zustimmung. Eine Weile dachte ich darüber nach, ein paar Übungen für meine Muskeln zu machen, doch da ich nicht wissen konnte, wann ich das nächste Mal etwas zu essen oder zu trinken bekommen würde, entschied ich mich, lieber mit meinen Kräften hauszuhalten. Vielleicht würde sie mich einfach hier verdorren lassen. Wie lange kann ein Mensch ohne Wasser überleben? Nicht lange jedenfalls. Zwei Tage? Manchmal war ich wütend und manchmal war mein Verstand plötzlich klarer, als ich es für möglich gehalten hätte. Ich erinnerte mich an einen Tag, als ich vier Jahre alt gewesen war.
    Damals verlief ich mich in einem Supermarkt. Die illusionäre Blase platzte und die gewohnte Welt des Einkaufengehens verwandelte sich in endlose Regalreihen voll irrsinniger Wiederholungen, Leuchtstoffröhren und grauer Vinylfußbodenplatten bis in alle Ewigkeit. Adrenalin schoss durch meine Adern und es gab keine Richtungen mehr. Ein anderes Mal sperrte ich mich in einem Schrank ein, der nur auf der Außenseite einen Riegel hatte. Ich war erstaunt über die vollkommene Dunkelheit. Die Tür ging nicht mehr auf und meine Abenteuerlust schlug in Panik um. Von Selbstmitleid überwältigt, stieß ich einen unmenschlichen Schrei aus. Ich hatte meinen eigenen Tod vorhergesehen.

27

    E IN E NDE
    »Wach auf«, sagte sie. Das Gittertor war offen und neben mir auf dem Boden stand ein Krug mit Wasser. Sie hielt in der einen Hand die Taschenlampe und in der anderen die Pistole. »Wach auf, Ben Constable. Wir müssen los.«
    Ich kippte das Wasser direkt aus dem Krug in mich hinein.
    »Komm schon«, sagte sie.
    »Ich hole noch schnell meine Tasche.«
    Sie bedeutete mir, auf Abstand zu bleiben, während sie die zwei verschlossenen Türen öffnete und hinter mir wieder zuzog.
    »Hast du Zigaretten?«, fragte ich.
    »Nein«, antwortete sie. »Darf ich eins von den Bittermandel-Toffees haben, die ich dir geschenkt habe?«
    »Klar.« Ich griff in meine Tasche, holte die kleine Dose heraus, klappte sie auf und hielt sie ihr hin.
    »Zwei Stück«, sagte sie. »Eins für dich und eins für mich.«
    »Ich mag keine Mandeln. Ich habe sie nur als Andenken behalten.«
    »Ach so. Also, hör zu. Du läufst voran und ich sage dir, wo es langgeht. Aber du darfst dich nicht nach mir umsehen, egal, was passiert. Kapiert?«
    »Für wen hältst du mich eigentlich? Orpheus?«
    »Tu einfach, was ich sage, dein Leben hängt davon ab.«
    Ich glaube nicht, dass ich ihr glaubte. Ich glaubte gar nichts mehr.
    Butterfly ging dicht hinter mir und leuchtete mit der Taschenlampe um mich herum. Ich überlegte, ob ich mich abrupt umdrehen und ihr die Pistole aus der Hand reißen sollte, aber derlei Späße sind bei bewaffneten Leuten wohl eher nicht zu empfehlen. Also lief ich einfach langsam weiter; mein Körper schien sich erst mal aufwärmen und lockern zu müssen, bevor ich in normalem Tempo gehen konnte. Nach einer Weile streckte ich die Hand nach hinten aus und blieb stehen. Ich wollte, dass sie sie nahm. Es war mein letztes Friedensangebot. Lass uns zusammen hier
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher