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Ich gab mein Herz fuer Afrika

Ich gab mein Herz fuer Afrika

Titel: Ich gab mein Herz fuer Afrika
Autoren: Mark Seal
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Vorwort
    SIE HATTE IMMER gewusst, dass er zu ihr zurückkehren würde.
    Beim ersten Tageslicht würde er in Nairobi in seinen Hubschrauber klettern und über das lärmende Tollhaus dieser Stadt aufsteigen, um dann gen Westen über den größten Slum Ostafrikas abzudrehen und hinaus ins Wunder zu fliegen, über den Großen Afrikanischen Grabenbruch, die Wiege der Zivilisation, einen fünftausend Kilometer langen Riss in der Erde, der sich von Syrien bis nach Mosambik erstreckt, am eindrucksvollsten jedoch hier in Kenia ist. Wenn der Boden der Welt sich absenkte und dem unendlichen Himmel und einer atemberaubenden Aussicht wich, würde er durch diesen Korridor fliegen, direkt zurück zu ihr.
    Es gab Dinge, die sie ihm unbedingt erzählen wollte, Dinge, die nur er verstehen konnte. Alles, was sie bisher nicht ausgesprochen hatte, weil sie zu schüchtern war, würde nun aus ihr heraussprudeln, wie in all den
Briefen, die sie ihm geschrieben, jedoch nie abgeschickt hatte:
    Ein ganzes Leben ist vergangen, seit wir uns getrennt haben, und doch kommt es mir vor, als hätten wir manches erst gestern erlebt. So vieles möchte ich dir sagen und mit dir teilen – jetzt, da ich weiß, dass ich dir nicht unterlegen bin.
    In ihrem blauen Haus am See, der aus der Luft so vollkommen und friedlich aussah, wartete sie auf ihn. Doch das war nur ein Extrem von vielen in einem Land, wo große Schönheit gleich neben unvorstellbarer Brutalität liegt, wo zwischen Leben und Tod eine hauchdünne Linie verläuft, wo nichts jemals ist, wie es scheint.
    Seit ich Kontakt zu anderen Menschen habe, wird mir bewusst, wie viel ich über die Natur weiß.… Heute werde ich respektiert. Aber die einzige Liebe meines Lebens gilt einem der wenigen Menschen, mit denen ich mich nicht verständigen kann, nicht einmal als Freundin.
    Sobald er wieder in ihr Leben trat, hätte sie eine Aussicht, all diese Qual zu vergessen. Nachdem er über die Berge und die ruhenden Vulkane geflogen wäre, die ein natürliches Amphitheater um den See herum bilden, würde er über dem smaragdfarbenen Wasser schweben und die große grüne Fläche voller wilder Tiere in sich aufnehmen.

    Wenn du über das blaue Haus geflogen bist, warst du wahrscheinlich froh, nicht mehr hier zu leben, aber ich habe mich so sehr verändert, dass ich mich selbst kaum mehr wiedererkenne. Ich habe dir im Geiste viele Briefe geschrieben, doch es gelingt mir einfach nicht, sie zu Papier zu bringen. 1
    Sie stellte sich vor, wie er um das Haus herumflog, spielerisch wie immer, dann auf der Graspiste landete und ausstieg, als kehrte er nur nach einer kurzen Safari zurück und nicht nach einem halben Leben. Dann wollte sie ihn endlich damit beeindrucken, wie unabhängig sie geworden war und was sie geleistet hatte – und ihm die Beständigkeit ihrer Liebe beweisen.
    Letztendlich kehrte er zu ihr zurück. Mit der Morgendämmerung des 13. Januar 2006 kam er eingeflogen. Jedoch nicht, um wieder mit der Frau, die einst seine Ehefrau, seine Gefährtin und seine beste Freundin gewesen war, zusammenzukommen, der Frau, die er verlassen hatte und die danach sechzehn Jahre lang allein in Afrika gelebt hatte.
    Er war zurückgekehrt, um ihre sterblichen Überreste zu holen.

Einleitung
    Die Meldung war erschreckend kurz.
    Naturschützerin ermordet
    Die Tierfreundin und Naturschützerin Joan Root, bekannt durch die Tierfilme, die sie in den 70er Jahren mit ihrem Ehemann Alan drehte, wurde am 13. Januar in Naivasha, Kenia, ermordet. Laut polizeilichen Angaben erschossen Eindringlinge die 69-Jährige in ihrem Farmhaus. Es habe zwei Festnahmen gegeben. Mysterious Castles of Clay, ein gemeinsamer Film des Ehepaars, bei dem Orson Welles als Sprecher fungierte, zeigt das Innenleben eines Termitenhügels. Er wurde 1978 für einen Oscar nominiert. 2
    Als schreibender Redakteur der Zeitschrift Vanity Fair bin ich immer auf der Suche nach guten Geschichten, und diese hier schien mir genügend richtige Zutaten
zu haben: eine Naturschützerin und Tierfilmerin, nominiert für einen Oscar mit einem Film, der von dem legendären Orson Welles gesprochen wurde, aus unbekannten Gründen in Kenia ermordet.
    Kurz nachdem ich mit meiner Recherche begonnen hatte, begriff ich, dass Joan Root mehr war als bloß irgendeine Tierfilmerin. Sie und ihr Mann Alan Root waren in den 70er und 80er Jahren die bedeutendsten Tierfilmer überhaupt, Sagengestalten für Naturfreunde aller Altersgruppen. In ganz Afrika und Großbritannien sah man sich
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