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Ich gab mein Herz fuer Afrika

Ich gab mein Herz fuer Afrika

Titel: Ich gab mein Herz fuer Afrika
Autoren: Mark Seal
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es, jetzt endlich die Stimme zu erheben, aufzubegehren und Farbe zu bekennen.« Er fügte hinzu, dass drei seiner Freunde, Joan nicht mitgerechnet, im vergangenen Jahr, 2005, ermordet worden waren, »gegenüber 2004 eine Verbesserung um fünfzig Prozent«. Damals hatte man fünf Freunde von ihm ermordet, und zwei wurden »bei Mordanschlägen schwer verletzt«.
    Die Trauerreden waren etwas Besonderes – leidenschaftlich und tief empfunden. Als ich Parker auf dem Podium sah, wurde ich Zeuge, wie ein alter Mann wieder jung wurde. Er reckte die Faust in den Himmel und machte seinem Zorn über die Brutalität, die seiner langjährigen Freundin widerfahren war, Luft. Parker, ein Abenteurer, Naturschützer, Pilot und Naturfotograf, war nun ein schmächtiger, weißhaariger Mann von siebzig Jahren. Er ähnelte dem Schauspieler Frank Morgan, dem strahlenden Marktschreier mit der hohen Stirn, der die Titelrolle in Der Zauberer von Oz spielte.
    Parker und ich trafen uns im Getränkepavillon bei der Gedenkfeier. Er erzählte mir wehmütig, wie Joan und er sich als Teenager bei einem Spaß kennengelernt hatten. Im Alter von neunzehn Jahren war Joans Schönheit in Nairobi bereits legendär. Fünf Soldaten aus dem Kenya Regiment beschlossen, fünf der schönsten Mädchen Nairobis zu einem Rendezvous einzuladen – egal, ob sie sich bereits kannten oder nicht –, und Ian Parker suchte sich Joan aus. Frech fuhr er hinauf zur Kaffeeplantage
von Joans Vater, ohne sich vorher angekündigt zu haben. Er klingelte, klärte Joan über seine Mission auf und bat sie um das Rendezvous. »Vielen Dank«, sagte sie höflich, »leider nein.« Dann war sie verschwunden, ohne ein weiteres Wort. 9
    Ian Parker mochte es versucht haben, aber der einzige Mann, der Joans Herz gewinnen sollte, war Alan Root – auch wenn er sie, wie er selbst zugab, letztlich im Stich gelassen hatte. Am Tag nach der Gedenkfeier wollte mir Alan Root aus Joans Leben erzählen, und wir vereinbarten einen Gesprächstermin. Es gelingt ihm immer noch, seinen Auftritt zu inszenieren. Er hatte mich gebeten, im Garten seines Geschäftsführers in Karen, einem Vorort von Nairobi, zu warten. Ich stand da und rechnete damit, dass er den Garten durch die Hintertür betreten würde, doch plötzlich unterbrach die Stille das laute Knattern eines Helikopters, der vom Nairobi Nationalpark hergeflogen kam. Als er zur Landung ansetzte und Gras und Erde im Garten aufwirbelte, sah ich Alan am Steuerknüppel in der Glaskabine sitzen, ganz der Draufgänger, den man aus seinen Filmen kennt, nur mit dem Unterschied, dass er mittlerweile achtundsechzig Jahre alt war. Er hatte eine dicke Brille und einen grauen Bart, aber er war immer noch von kräftiger Statur und trug schwarze Jeans und ein legeres Hemd.
    »Ich habe schon zwei Bruchlandungen hinter mir«, sagte er, sobald ich neben ihm im Hubschrauber saß. 10 Wir hoben ab, und er flog schräg auf die Ngong-Berge zu, die blau und schattig in der Ferne lagen. Mit hoher Geschwindigkeit überquerten wir die von Wildtieren
bevölkerten Ebenen. Ich entdeckte Zebras, Kaffernbüffel und Gazellen in dem Nationalpark unter uns, als Alan Gas gab und wir wie eine Kugel durch den klaren afrikanischen Himmel schossen. Ich spürte sofort die außerordentliche Energie, die ihn antrieb und die ihn im echten Leben wie in seinen Filmen so charismatisch machte.
    Dieses Leben hatte Alan Root gefährlich, rücksichtslos, zu hundert Prozent gelebt: Er wurde von wilden Tieren aufgespießt, stürzte mit Flugzeugen ab, fuhr Autos zu Schrott, sprang in reißende Flüsse, trank ordentlich, ging Hals über Kopf Liebesaffären ein. Doch von allen Frauen, die er gekannt hatte, war es Joan, die stille schöne Joan, die den größten Einfluss auf ihn gehabt hatte, besonders in jungen Jahren, und er wollte mich dabei unterstützen, ihre Geschichte zu erzählen. An diesem Tag beförderte er mich mit seinem Helikopter in eine andere Welt, und das sollte zu der besten Geschichte werden, der ich als Journalist je begegnet war. Bis zu diesem Moment hatte ich hauptsächlich kalte, harte Fakten gesammelt. Dann flog mich Alan Root quer über Afrika, und die Fahrt meines Lebens begann.
    Der Artikel, den ich schrieb und der in der Vanity Fair vom August 2006 erschien, war nur ein weiterer kleiner Beitrag in dem immer unergründlicher werdenden Geheimnis um eine erstaunliche Frau. Doch der Artikel schien einen Nerv bei den Lesern zu treffen, so wie die erschreckende Meldung, die mich
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