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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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den nahen Bäumen auf und schossen himmelwärts.
    Schließlich klang der Lärm ab. Seine Mutter war ein kurzes Stück in den Eichenwald gegangen und stand jetzt mit dem Rücken zu ihm. Als er angestolpert kam, drehte sie sich um und gebot ihm mit einem Blick ihrer grauen Augen, still zu sein. Dann kehrte sie sich wieder der Eiche unmittelbar vor ihr zu, deren helle, trockene Äste in ihrem zackigen und verrenkten Wuchs an Blitze erinnerten. Die meisten der grünen Blätter waren in der verfrühten Hitze bereits gewelkt, weshalb das Vogelnest hoch oben in einem Astknick nur schwer zu erkennen war.
    Den Blick nach oben auf das Nest gerichtet begann seine Mutter, eine wortlose Weise zu singen. Colin verfiel augenblicklich ihrem Zauber, wie es ihm immer geschah, schon seit frühester Kindheit. Ihre Stimme war süß und gezogen wie warmer Honig. Colin wurden die Beine schwach. Manchmal, wenn seine schöne, schreckliche Mutter sang, meinte er die Töne zu hören, mit denen die allerersten Menschenfrauen überhaupt ihre Kinder eingeschläfert und die Kranken getröstet hatten. Ihr Gesang war so zwingend, so liebevoll, dass er ihr alles verzieh, wenn sie ihn anstimmte.
    Das Lied, das sie sang, funkelte wie klingendes Gold. Ein Vogel mit schwarzweißen Schultern und einem hübschen roten Köpfchen schlüpfte aus dem Nest und kletterte vorsichtig an der Rinde der Eiche nach unten, den Schwanz hierhin und dorthin schnippend. Er kuschelte sich kurz in sein eigenes Gefieder wie jemand, der sich in einem warmen Mantel verkriecht, dann flatterte er auf den ausgestreckten Finger von Colins Mutter, beugte die Knie, dass es aussah, als machte er einen Knicks und böte die prächtigen Flügel und Nackenfedern zum Zausen dar, und dabei wippte und wackelte er so komisch auf dem schlanken Finger wie ein Hündchen, das gestreichelt werden möchte.
    »Lass mich den Vogel halten«, sagte Colin, bestrickt von der Macht seiner schönen Mutter. »Bitte …«
    Das Singen brach ab. Die Finger seiner Mutter schnappten zu wie eine Falle. In der plötzlichen Stille klang das Zerbrechen der Handvoll Knöchelchen laut wie ein Trommelwirbel. Seine Mutter öffnete die Finger wieder und ließ das zerquetschte Häuflein, dessen einer Flügel noch kläglich flatterte, zu Boden fallen.
    Colin schlug sich die Hände vor den Mund. Er hätte es wissen müssen. Er hätte es wissen müssen!
    »Geht es dir jetzt besser?«, schrie er sie an. Er wollte weglaufen, doch es ging nicht. Sein Blick wanderte von ihr zu demsterbenden Vogel. »Geht es dir besser, wenn du das machst?« Er wollte das wirklich wissen, das war das Schreckliche. Als könnte es für eine solche Tat einen stichhaltigen Grund geben und als könnte er, wenn er ihn wüsste, ihr doch wieder verzeihen.
    Patience Needle richtete die klaren grauen Augen auf ihren Sohn. »Besser?«, sagte sie. »Ein wenig vielleicht.« Sie drehte sich um und ging mit forschen Schritten zum Haus zurück. »Komm mit, Colin, trödele nicht herum. Wir müssen uns noch eine passende Strafe für einen hinterlistigen kleinen Spion überlegen, nicht wahr?«

1
    EINE EINLADUNG AN DEN KÖNIG
UND DIE KÖNIGIN VON RUMÄNIEN
    I hr wollt wohl, dass ich gar kein eigenes Leben mehr habe, was?«, sagte Mama.
    Tyler spielte mit seinem GameBoss und hatte es bis jetzt geschafft, sich nicht in den Streit hineinziehen zu lassen, aber seine große Schwester hatte noch nie den Mund halten können. Sie biss auf jeden Zankapfel an wie eine Forelle auf einen beköderten Haken.
    »Na klar, Mama«, sagte Lucinda. »Kein eigenes Leben – was denn noch? Nur weil wir nicht wollen, dass du den ganzen Sommer über wegfährst und uns bei einer Frau abgibst, die nach Fisch riecht und deren Kinder Popel fressen?«
    »Siehst du, so machst du es immer, Herzchen«, erwiderteihre Mutter. »Immer musst du übertreiben. Erstens ist es nicht der ganze Sommer, es sind nur ein paar Wochen Single-Urlaub. Zweitens riecht Mrs. Peirho gar nicht die ganze Zeit nach Fisch. Das hat sie nur den einen Tag, wo sie so was kochte, irgendwas Portugiesisches.« Mama schlenkerte ihre Finger, damit die Nägel trockneten. »Und ich weiß nicht, was du gegen diese Jungs hast. Sie sind beide richtig gut in der Schule. Martin fährt ins Computercamp und überhaupt. Ihr könntet was von ihnen lernen.«
    Lucinda verdrehte die Augen. »Martin Peirho sollte den Rest seines Lebens im Camp verbringen – nirgendwo anders erlauben sie dir, deinen Namen in die Unterhosen zu
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