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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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brachte. Eine andere Tür ging auf und zu, dann war es wieder still.
    Colin klebte wieder am Schlüsselloch, als Gideon gerade sagte: »… sind Kinder. Ich bin froh darüber! Sie sind leichter zu kontrollieren.«
    »Oder leichter in Gefahr zu bringen«, sagte Walkwell.
    »Ihr begreift das nicht«, sagte Gideon. »Ich werde verfolgt, und das nicht zum ersten Mal. Aber ich werde diese Farm mit meinem Leben verteidigen – mit meinem Leben!«
    Es wurde wieder still. Colin beobachtete, wie die Stäubchen in den Lichtstrahlen tanzten, die in die Diele fielen.
    Es war seine Mutter, die schließlich das Wort ergriff. »Befürchtest du, jemand könnte dir die Farm wegnehmen? Es ist ein heikles Thema, ich weiß, aber vielleicht …« Obwohl sie mutig wie eine Löwin war, wie Colin wohl wusste, hatte sie spürbare Skrupel weiterzureden. »Vielleicht solltest du daran denken – nur einmal darüber nachdenken, wohlgemerkt –, dich wiederzuverheiraten.«
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, brüllte Gideon. »Was fällt dir ein?« Auf einmal gab es ein allgemeines Stühleschurren, und Colin, darauf nicht gefasst, musste wieder mit einem Satz von der Tür verschwinden und im Schatten neben der Treppe Zuflucht suchen.
    Die Zimmertür flog auf, und mit wehendem Bademantel und zornrotem Gesicht kam Gideon barfuß herausgestürzt. Dem ihm folgenden Walkwell sah man seine Emotionen so wenig an, wie man Gideons schon von weitem erkannte. Nachdem sie sich beide verzogen hatten, Gideon stampfenden Schritts in seine Gemächer und Walkwell zur Haustür hinaus und zurück an die Arbeit, erschien Colins Mutter und schloss die Tür des Besprechungszimmers so behutsam hinter sich, als käme sie von einem Krankenlager. Sie ging an Colin vorbei, ohne dorthin zu schauen, wo er sich im Schatten versteckte, und blieb vor der Tür stehen, die zur Küche führte.
    »Colin«, sagte sie, ohne sich umzudrehen, »hast du nichts Besseres zu tun, als Erwachsenen nachzuspionieren?«
    Nachdem sie durch die Tür getreten war, konnte er noch eine ganze Weile nur schwer atmend in der Ecke kauern, als ob sie ihm in den Bauch geboxt hätte. Schließlich richtete er sich auf und lief ihr nach, voller Selbstverachtung und doch außerstande, es nicht zu tun. Er würde es erklären, er würde ihr sagen, dass es nur ein Versehen gewesen war. Sie würde ihn sicher nicht wegen eines Versehens bestrafen, oder?
    Doch, natürlich würde sie das. Das wusste er. Und sie würde auch wissen, dass es gar kein Versehen gewesen war, und wenn er noch so gut log. Das wusste sie immer.
    Er würde ihr sagen, dass er nur versucht hatte, sie zu finden. Das stimmte sogar halbwegs. Seit mehreren Tagen hatte er sie kaum gesprochen, ja kaum gesehen. Manchmal war es, als hätte sie ganz vergessen, dass sie einen Sohn hatte.
    Die Küche war leer – nicht einmal Sarah war da. Colin lief zur Tür hinaus, die in den Gemüsegarten führte. Das helle Licht draußen blendete ihn, und die Hitze war mörderisch. Der Frühling war noch nicht einmal vorbei, doch in Kalifornien war es seit kurzer Zeit ungewöhnlich heiß, geradezu unerträglich. Weiter hinten erblickte er seine Mutter, die trotz der brennenden Sonne flink und graziös durch den Garten glitt. Wie immer erstaunte ihn ihr Elan, und das Sehnen nach ihr überwog plötzlich alles andere.
    »Mutter!«, rief er. »Bitte, Mutter!«
    Sie musste ihn hören, sie war ja nur wenige Meter entfernt. Tränen traten ihm in die Augen, und ein Abgrund tat sich in Colins Brust auf, ein altes, nur zu bekanntes Gefühl. Sie eilte vor ihm über die freie Fläche zwischen den Gebäuden, eine Fata Morgana im Staub. Wohin wollte sie? In den Eichenwald weiter hinten? Ständig ging sie allein irgendwohin, in den Wald oder in das verfallene Treibhaus oder in Grace’ altes Nähzimmer. Warum konnte sie nicht wenigstens einmal stehenbleiben und mit ihm reden?
    »Mutter!«
    Sein erstickter Schrei störte einige der Tiere im Krankenstall gleich um die Ecke auf. Sofort erfüllte Kreischen, Brüllen und Pfeifen die staubige Luft und hallte mit schmerzhaftem Dröhnen in Colins Schädel wider. Etwas stieß ein unheimliches Quäken aus, ein anderes Tier schnatterte und heulte, und wieder ein anderes ließ ein feuchtes Bellen hören wie ein Hund unter Wasser. Colin zog scharf die Luft ein und hielt sich gequält die Ohren zu. »Aufhören«, stöhnte er. »Aufhören!« Doch es hörte nicht auf, jedenfalls nicht gleich. Unruhig gewordene Vögel flogen aus
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