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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition)
Autoren: Joanna Bourne
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Mann imstande wäre, der sich so viel Zeit ließ.
    Er sagte: »Haben Sie nur ruhig weiterhin Angst vor mir, wenn Sie wollen. Aber hören Sie auf zu zittern. Da wird einem ja vom Zusehen kalt.«
    »Niemand möchte, dass Sie sich unbehaglich fühlen.«
    »So ist’s gut. Das war schon fast ein Lächeln. Weiter so.« Und dann ließ er sie allein.
    Der Junge trug den letzten der Packkörbe herein. Er sah sie weder freundlich noch unfreundlich, sondern lediglich abschätzend an. Es überraschte sie gar nicht, dass LeBreton solch einen unheimlichen Diener beschäftigte.
    Mit trockenen Palmwedeln entfachte LeBreton ein Feuer, auf das er kleine, verkohlte Holzstücke legte. Der Junge nahm die Abdeckungen von den Lastkörben und hob kleinere Körbe mit Deckel sowie Lederbeutel, Kochgeschirr und eine Kaffeekanne heraus. Dass er alles ohne zu zögern und nach einem bestimmten Schema arrangierte, ließ vermuten, dass er das schon oft gemacht hatte. Dann füllte er Wasser in einen schwarzen Kessel – einen Kessel, wie er in jedem Häuschen der Normandie zu finden war, nur dass hier das Feuerholz aus Tischbeinen und Vitrinenteilen bestand.
    Auch LeBreton war mit dem Auspacken fertig und kam zu ihr. Er ließ sich so dicht neben ihr im Schneidersitz nieder, dass sein Knie sie fast berührte. Dann zog er den Hut vom Kopf und legte ihn irgendwo ab, sodass sie seine Narbe und seine restlichen groben Gesichtszüge deutlich erkennen konnte. Sein durchdringender, prüfender Blick ruhte auf ihr. »Trinken Sie erst einmal einen Kaffee, bevor ich Ihnen ein paar Fragen stelle.« Wahrscheinlich beherrschte er keinen Gesichtsausdruck, der nicht bedrohlich wirkte.
    Der Junge, Adrian, kam mit einer blauweißen Porzellantasse voll Kaffee zu ihnen. Der Henkel war abgebrochen und der Rand abgesplittert. Sie stammte aus dem Geschirr, das von der höheren Dienerschaft benutzt wurde. Benutzt worden war. LeBreton legte ihre Finger darum, bis sie die Tasse sicher in den Händen hielt.
    »Trinken Sie das. Dann reden wir.« Er besaß Arbeiterhände. Mit derben Fingern und breiten Handflächen, schwielig, zupackend. Hände wie gut geschmiedete, oft gebrauchte Stahlwerkzeuge. Hände, die wie eine Abhandlung über Technik wirkten. »Ich bin kein Schurke, Maggie.«
    Ein Mann wie du ist das, was immer er sein will . »Ich bin Bürgerin Duncan. Oder Miss Duncan. Nicht Maggie.«
    »Ich werd’s mir merken.«
    Er ergriff die Decke, die ihr ein Stück von der Schulter gerutscht war, und zog sie wieder hoch. »Diesmal sind Sie nicht zusammengezuckt. Wir machen Fortschritte.«
    Es gab keine Fortschritte. Sie war müde und hatte keine Lust, sich an heißem Kaffee zu verbrühen. Sie hielt es für überflüssig, ihm das zu erklären.
    Der Kaffee war heiß und süß. Echter Kaffee, aus Haiti, und nicht das Gebräu aus Wurzeln und Gerste, das man heutzutage auf dem Markt bekam. »Sie werden mir nicht die Angst nehmen, wenn Sie mir weiter so nahe kommen wie ein überwuchernder Strauch.«
    »Natürlich nicht. Aber indem ich Ihnen demonstriere, wie harmlos ich bin. Sehen Sie mal da, Bürgerin Maggie.« Damit waren die vier Packkörbe gemeint. »Das ist das, womit ich handele – Voltaire, Diderot, Rousseau, Lalumière – vom Komitee für Bildung abgesegnetes Unterrichtsmaterial. Kinderbücher mit dem richtigen Gedankengut … › F wie Freiheit, G wie Gleichheit, B wie Brüderlichkeit.‹ Solche Dinge. Ich habe auch Kartenspiele. Auf denen sind hübsche Revolutionsbildchen. Das Ass zeigt eine Guillotine, was so ein Spiel doch richtig belebt, nicht wahr? Außerdem habe ich ein paar hübsch illustrierte Ausgaben der Menschenrechte, die man gut einrahmen und über dem Kamin aufhängen kann. Sie sehen vor sich Guillaume LeBreton, Buchhändler.«
    Nie im Leben reiste dieser Mann mit Eseln durch die Lande und lebte vom Bücherverkauf. Was für ein Unsinn. Er war der Wolf, der behauptete, Schuhe zu flicken. Nicht für den Bruchteil einer Sekunde führte er sie an der Nase herum. »Ohne Frage ein ehrbares Geschäft.«
    »Revolutionäres Gedankengut in die Provinzen zu tragen, das ist meine Aufgabe. Wenn mir Lehrer begegnen, die die alten, Aberglaube und Lügen verbreitenden Bücher verwenden, schleppe ich sie nach draußen und verbrenne sie. Die Bücher, nicht die Lehrer. Kleiner Scherz.«
    »Sehr amüsant.«
    »Danach nehme ich die Bestellung für alle genehmigten Bücher auf, die sie plötzlich, warum auch immer, gar nicht schnell genug kaufen können. Mit etwas Glück sind die
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