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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition)
Autoren: Joanna Bourne
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dahintersteckte.
    LeBretons Mantel war groß, was nicht anders zu erwarten war. Das Braun war so dunkel, dass es in diesem schummrigen Licht schon schwarz wirkte, während das Rotbraun des Innenfutters an Eichenlaub erinnerte. Wie ein Frosch auf einem Lilienblatt hockte sie in der Mitte des Mantels, inmitten eines Ortes der Zerstörung, der einmal ein Garten gewesen war, und zitterte.
    »Es bringt nichts, Angst zu haben«, erklärte er. »Und es besteht auch kein Grund dafür. Das sagte ich Ihnen bereits.« Seine Hand öffnete sich, wie um nach ihr zu greifen und sie zu berühren.
    Sie zuckte zusammen. Nur ganz leicht, doch er hatte es bemerkt. »Ich würde jetzt gerne gehen.«
    »Sie haben sich hier versteckt, seit sie das Haus angesteckt haben, nicht wahr? Ich nehme es Ihnen nicht übel, dass Sie sich fürchten. Heutzutage sind ganze Banden von Plünderern unterwegs. Deserteuren. Echten Banditen. Sie haben verdammtes Glück gehabt, dass ich es war, der vorbeigekommen ist.«
    »Ich bin Ihnen zutiefst dankbar.«
    »Nein. Sie haben schreckliche Angst vor mir. Dagegen werde ich bald etwas unternehmen. Rühren Sie sich nicht vom Fleck.« Vielleicht waren seine Worte zur Beruhigung gedacht. Wenn ja, hatten sie ihr Ziel verfehlt.
    Sie blieb allein und hatte Zeit, darüber nachzugrübeln, wer dieser Monsieur LeBreton war, der wie der Bewohner eines bretonischen Dorfes sprach und vorgab, ein einfacher Mann zu sein, wo er doch alles andere als einfach war, darüber, warum er hier in ihrem Château ohne Plünderungsabsichten herumschnüffelte, und was sie mit alldem nur anfangen sollte.
    Wenn sie versuchte wegzulaufen, würde sie nur eine weitere Demonstration seiner überlegenen Kraft und Schnelligkeit erleben. Sie würde sich davonschleichen, wenn es dunkel war, nicht jetzt. Noch nicht.
    Der anhaltende Westwind trug die Feuchtigkeit des Nebels herein. Ein Frösteln erfasste sie, und in ihrem Magen wand sich der Hunger wie ein gefangenes Tier. Hätte sie, wie jede vernünftige Frau, das Kaninchen getötet und es irgendwo in den Wäldern gekocht, wäre sie Monsieur LeBreton nie begegnet und nun nicht in dieser Lage. Jean-Paul sagt immer, ich würde uns mit meinem tölpelhaften Verhalten noch alle umbringen.
    Sie kauerte sich zusammen, legte das Gesicht auf die Knie und schloss die Augen. Wenn sie sie wieder öffnete, wäre sie vielleicht woanders – im Wolkenkuckucksheim oder auf Tír na nÓg oder Platons Atlantis, einem der mystischen Orte aus der Mythologie. Was zwar eher unwahrscheinlich, aber auch nicht ganz unmöglich war.
    LeBreton schickte den Jungen los, um die Lastkörbe von den Eseln zu holen, während er das Fegen übernahm. Sie hörte sein Ächzen und schabende Geräusche, als er große Kupfertöpfe woandershin zog. Zwar hatte sie keine Ahnung, warum er das tat, ersparte sich jedoch sinnlose Spekulationen.
    Als das Château in Flammen gestanden hatte, waren sie gekommen und hatten immer wieder mit Steinen geworfen. Die Orangerie war wie eine ängstlich zusammengekauerte Ehebrecherin gewesen, die sie gesteinigt hatten. Schon seltsam, diesen Ort kalt zu erleben, wo es hier doch sonst immer so warm gewesen war.
    Als Kind war dies immer ihr Spielplatz, ihr geheimes Königreich gewesen, mit Blumen wie Speere des Sonnenlichts, Blumen wie Fächer und Federn, wie rote Schwerter aus Wachs. Den ganzen Winter über waren die Öfen in Betrieb gewesen, bei Tag und Nacht, und hatten die Orangen, Alpenveilchen und die struppig-stoppelige Ananas am Leben erhalten.
    Jean-Paul war der Sohn von Maître Béclard, dem Botaniker der Königlichen Gärten, der mit einer Sendung Orchideen und Bromelien gekommen und geblieben war, um sich um diese zu kümmern. Jean-Paul hatte ihr die Geschichte jeder einzelnen Pflanze im Treibhaus erzählt, in dem unerschütterlichen Glauben, dass sie sie erfahren wollte.
    Eines Tages, als sie fünfzehn war, hatte er ihr eine Orangenblüte gepflückt und ins Haar gesteckt. »Das bedeutet eine Orange weniger für dein Abendessen, Marguerite.« Er hatte sie geküsst.
    Neben ihr schabten Stiefel. LeBreton ragte an ihrer Seite auf, mindestens eine Meile groß. Er war mit einer Eseldecke zurückgekommen, die er in einer fließenden Bewegung auseinanderfaltete und sanft um ihre Schultern fallen ließ, ohne sie zu berühren. Nun war sie eingehüllt wie ein Beduine in seinem Zelt.
    Wenn er vorhat, mir etwas anzutun, worauf wartet er dann noch? Sie mochte sich nicht ausmalen, zu welch ausgefeilten Schandtaten ein
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