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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition)
Autoren: Joanna Bourne
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Bücher immer noch abgesegnet, wenn ich in Paris zurück bin.«
    »Was für ein unsicheres Leben, Bürger.«
    Das Feuer loderte auf und sprühte Funken. Der Junge ging in den Regen hinaus und brachte Berge von Stroh aus dem Stall mit.
    LeBreton drehte sich leicht, sodass die lädierte Seite seines Gesichts deutlich im Schein des Feuers zu erkennen war. Das war reine Absicht. Er zeigte sich ihr von der schlimmsten Seite, damit sie sich daran gewöhnte. Was besser funktionierte, als ihr lieb war. Sie hatte tatsächlich nicht mehr so große Angst vor ihm.
    Schon ohne diese Narbe wäre er kein schöner Mann gewesen, ein Mann mit struppigen Augenbrauen, ausgeprägter Nase und einem energischen Kinn. Sie entschied nun, dass er nicht bösartig, sondern hart und sehr resolut aussah. Er war wie einer dieser Steinkrieger im Gewölbe einer alten Kathedrale, der mit dem Heft eines Steinschwerts in der Hand darauf wartete, bei der Apokalypse in die Schlacht gerufen zu werden.
    Sie trank den Kaffee, den ihr dieser listige Riese gegeben hatte. Er spendete ihr Wärme. Die verregnete Abenddämmerung außerhalb der trost- und scheibenlosen Fenster erschien ihr etwas heller. Sie balancierte die Tasse auf ihren angezogenen Knien, blies hinein, um den Kaffee abzukühlen, und genoss ihn in kleinen Schlucken.
    Sie hatten ihr eine Porzellantasse geholt, damit sie den Kaffee wie ein zivilisierter Mensch trinken konnte. Eine raffinierte und nette kleine Geste, die sie sehr beeindruckte. Sie saß neben jemandem, der viel Verstand besaß.
    »Sie hätten sicher gerne Tee«, vermutete er, »da Sie aus Schottland sind.«
    »Ich mache mir nicht viel aus Tee. Ich habe Schottland nie mit eigenen Augen gesehen. Es war mein Großvater, der in Aberdeen geboren wurde.« Das war die Geschichte ihrer Gouvernante, der echten Mistress Duncan, die rotblond, sommersprossig, vierzig Jahre alt und mit einem seriösen Bankier aus Arles verheiratet war.
    »Dennoch sind Sie Schottin.«
    »Schottin zu sein ist etwas, was man nicht so leicht ablegt.« Er log, und sie ebenfalls. Ein Austausch von Unwahrheiten. Vielleicht würden sie sich entspannt zurücklehnen, sobald sie beide dachten, dass sie den anderen zum Narren gehalten hatten.
    Er wusste nicht, dass sie das Lügen in Versailles gelernt hatte, damals, als der König noch lebte. Das Lügen war eine Kunst, feierlich und elegant wie das Menuett. Die richtige Lüge, die Absicht, die hinter einer geknoteten Haube steckte, eine Nachricht, die im Gedränge eines Flurs von einer Hand zur nächsten gereicht wurde. Die Luft war schwer gewesen, vom Gestank der Intrigen, deren Dreh- und Angelpunkt meist Onkel Arnault gewesen war. Im Erkennen von Lügen war sie keine Amateurin.
    Sie trank noch einen Schluck. Der Kaffee war mit purem weißem Zucker gesüßt, der sich vollständig auflöste. Kaffee aus Haiti, Zucker aus Martinique. In Paris waren solche Köstlichkeiten teuer, anders als in den Hafenstädten, wo die von den Inseln kommenden Schiffe entladen wurden.
    Womöglich hatte LeBreton letzte Woche ja tatsächlich ganz harmlos Bücher in Dieppe oder Le Havre abgeliefert. Vielleicht hatte er aber auch den kleinen Fischerdörfern an der Küste einen Besuch abgestattet, wo die Schmuggler ihre Boote an Land zogen. Möglicherweise war er einer der Männer, die Schmuggelware quer durch Frankreich schafften – Briefe der Emigranten nach England, ausländische Zeitungen, Bankkapital, Nachrichten von Spionen. Er konnte sogar selbst ein Spion sein, ein königstreuer, österreichischer oder englischer. Oder ein Agent der Geheimpolizei in Paris.
    Oder aber er gehörte zu La Flèche.
    Der Junge hatte drei Schlafstätten aus Stroh hergerichtet und röstete nun Brot über dem Feuer. Und sie trank Kaffee, den Rücken gerade und mit eleganter Handhaltung, so wie man es ihr beigebracht hatte. Ihr Hunger war riesig.
    »Wir essen in einer Minute«, versprach LeBreton. »Haben Sie endlich keine Angst mehr vor mir? Ich hoffe es sehr.«
    »Ich kann erstaunlich ausdauernd sein. Der Kaffee ist gut.«
    »Besser als der Wein, den wir haben. Sieht so aus, als ob Sie am Ende auch noch etwas zu essen bekommen.«
    Der Junge brachte ein Brot mit geschmolzenem Käse, das er von einer Hand in die andere warf, weil es heiß war. Er hockte sich auf die Fersen und hielt es ihr auf den Fingerspitzen entgegen.
    »Wenn du glaubst, sie ist vernünftig und isst langsam, dann gib es ihr ruhig«, merkte LeBreton so zartfühlend wie gekardete Wolle an. »Du
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